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Durch das Fracking wird Schiefergas aus dem Boden gekratzt. Aber bietet Fracking ausreichende Energiequellen?

© dpa

Umstrittene Gasförderung: Fracking löst das Energieproblem nicht

Durch "Fracking" soll das wenige Schiefergas aus dem Boden gekratzt werden. Im Gastbeitrag diskutiert der Mikrobiologe Alexander Kekulé, warum Fracking für Deutschland unwirtschaftlich und gefährlich ist.

Das Problem mit der Ketchup-Flasche kennt jedes Kind: Irgendwann kommt nichts mehr raus, obwohl noch beträchtliche Mengen der roten Pampe am Glas kleben. Mit Schütteln und Kratzen lässt sich noch manch dicker Tropfen herausholen – je leerer die Flasche, desto höher wird aber der Aufwand.

Auch die Gasvorkommen in Deutschland (und vielen anderen Regionen der Erde) sind so gut wie aufgebraucht. Weil man die Erde nicht schütteln und auskratzen kann, wird sie durch Einpressen von Flüssigkeit innerlich zerbröselt, damit auch der letzte Rest Erdgas entweicht. Dieses hydraulische Aufbrechen (hydraulic fracturing) oder „Fracking“ spaltet die Gemüter: Die Gasindustrie verspricht, damit die fossilen Energiereserven der Menschheit um Jahrzehnte zu strecken. Auch Barack Obama setzt auf die neue Technologie, um die USA unabhängig vom Ölimport zu machen. Kritiker befürchten jedoch Schäden für die Umwelt und einen Rückschlag für die Energiewende.

Ein Gutachten des Umweltbundesamtes vom August 2012 machte publik, dass Fracking in Deutschland bereits seit Jahrzehnten intensiv betrieben wird. Die bisher etwa 300 „Fracks“ wurden jedoch ohne wasserrechtliche Erlaubnisverfahren durchgeführt. Eine Vorprüfung, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig gewesen wäre, fand nicht statt, obwohl das EU-Recht das fordert. Die Rechtsunsicherheit dürfte ein Grund dafür sein, dass die Koalition trotz Wahljahr die gesetzlichen Voraussetzungen für das Fracking eilig nachbessern will.

Fracking kann in zwei unterschiedlichen geologischen Situationen zur Gasförderung eingesetzt werden. In unmittelbarer Nachbarschaft der großen Gaslager sitzt meist eine beträchtliche Menge „Tight Gas“ fest, das in kleinere Höhlen des Speichergesteins eingeschlossen ist. Ist eine Lagerstätte leer, wird routinemäßig einige Male gefrackt, um diese Reste herauszuholen. Weil das Speichergestein normalerweise gasdicht ist und mehr als zwei Kilometer unter der Erde liegt, gilt das Verfahren als vergleichsweise sicher. Bislang wurde Fracking in Deutschland fast ausnahmslos zur Gewinnung von „Tight Gas“ eingesetzt.

Alexander S. Kekulé ist Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle.

© promo

Mit Fracking kann aber auch Erdgas gefördert werden, das sich nicht in großen Blasen gesammelt hat, sondern noch fein verteilt an sein „Muttergestein“ gebunden ist. Vor Jahrmillionen entstand aus Resten von Pflanzen und Tieren am Meeresgrund ein Faulschlamm, der mit Sedimenten bedeckt wurde und langsam im Erdinneren versank. Unter hohem Druck und Temperaturen entstand aus dem Faulschlamm Erdgas. Das umgebende Sediment wurde zu Tonschiefer. Das direkt aus dem Muttergestein gewonnene „Schiefer-Gas“ wollen Gasfirmen nun auch in Deutschland fördern.

Die Risiken für die Umwelt sind jedoch, wie das Umweltbundesamt zu Recht feststellte, ungeklärt. Die in die Erde gepumpten Flüssigkeiten (Frack-Fluide) enthalten gesundheitsschädliche Desinfektionsmittel, mit denen das Wachstum von Bakterien im Rohrsystem verhindert werden soll, sowie Korrosionsschutzmittel, Gleitmittel, Geliermittel, Säuren und zahlreiche weitere Chemikalien.

Wenn die Flüssigkeit nach dem Fracking wieder hochgepumpt wird, ist sie zusätzlich mit radioaktiven Salzen aus dem Tiefengestein belastet. Dass diese Brühe in das Grundwasser gelangt, ist wegen der großen Tiefe der Bohrungen zwar wenig wahrscheinlich; zuverlässige Modelle für die Vorhersage unterirdischer Strömungen gibt es jedoch bislang nicht.

Die Erfahrungen mit den bereits in Deutschland durchgeführten Fracks, auf die Befürworter gerne verweisen, sind für die Risikobewertung wenig hilfreich: Mögliche Umweltschäden wurden nicht systematisch erfasst, großenteils ist nicht einmal die Zusammensetzung der verwendeten Frack-Fluids bekannt.

Richtig wäre es deshalb, vorläufig für alle Fracking-Operationen, einschließlich der Gewinnung von „Tight Gas“, Umweltverträglichkeitsprüfungen vorzuschreiben, bis die Risiken ausreichend erforscht sind. Wahrscheinlich wird Fracking dann so teuer, dass es sich für das wenige Schiefergas in Deutschland nicht lohnt – manchmal ist die Flasche eben leer, obwohl noch ein Rest drin ist.

Der Autor ist Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle.

Alexander Kekulé

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