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Probebohrung. In Lünne hat der Energiekonzern Exxon bereits nach unkonventionellem Erdgas gesucht. In Nordrhein-Westfalen dagegen gibt es Protest.

© picture alliance / dpa

Angst ums Wasser: Ärger um umstrittene Erdgas-Förderung

Mit der umstrittenen Erdgas-Förderungs-Methode "Fracking" könnten Deutsche Lagerstätten uns 13 Jahre lang mit Erdgas versorgen – aber die Risiken sind unklar.

Im Wahlkampf will sich Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) nicht mit „Fracking“ herumschlagen müssen. Für die Technik, mit der in den USA sogenanntes unkonventionelles Erdgas gefördert wird, gibt es bisher kein deutsches Wort. Aber Ärger gibt es darum seit gut zwei Jahren vor allem in Nordrhein-Westfalen. Bürgerinitiativen kämpfen gegen die geplante Erdgasförderung, die Landesregierung hat vor einem Jahr zunächst alle Bohrungen verboten, bis ein Gutachten vorliegt, um die Risiken der Methode einschätzen zu können.

Dieses Gutachten stellt das nordrhein- westfälische Umweltministerium am heutigen Freitag in Düsseldorf vor. Am Donnerstag kam Altmaier der Landesregierung zuvor. Um 21.30 Uhr am Mittwochabend ließ er zur Pressekonferenz laden, um ein vom Umweltbundesamt (UBA) in Auftrag gegebenes Fracking-Gutachten zu veröffentlichen. Die Gutachter sind die gleichen. Der einzige Unterschied besteht wohl darin, dass das UBA zudem eine rechtliche Bewertung in Auftrag gegeben hat.

Altmaier forderte am Donnerstag, in Wasserschutzgebieten ganz auf die Förderung von unkonventionellem Erdgas zu verzichten. Darüber hinaus kündigte er an, dass im Bergrecht eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Bohrungen eingefügt werden soll. Längerfristig solle das UVP-Recht angepasst werden. Beides hatten die Gutachter auch vorgeschlagen. Allerdings ist für das Bergrecht das Wirtschaftsministerium zuständig. Der Energiekonzern Exxon, der gerne in das Geschäft einsteigen will, hat im Mai selbst einen „neutralen Expertenkreis“ mit einem Gutachten beauftragt, das ebenfalls empfiehlt, in Wasserschutzgebieten auf das Fracking zu verzichten.

Ein komplettes Verbot der umstrittenen Technik forderten jedoch weder Altmaier noch UBA-Präsident Jochen Flasbarth. Dieser wies darauf hin, dass die im Untergrund Deutschlands vermuteten Lagerstätten 13 Jahre lang den kompletten Gasbedarf des Landes decken könnten, würden sie vollständig erschlossen. Flasbarth sprach von einem Potenzial von 1,3 Billionen Kubikmetern Gas. Der Jahresverbrauch in Deutschland liegt bei 100 Milliarden Kubikmetern. Flasbarth mahnte zu einem „schrittweisen Vorgehen“. Da es noch erhebliche Wissenslücken gibt, müsse ein einheitlicher technischer Standard für das Fracking definiert werden. Zudem müsse neben den Gasvorkommen auch die geologische Gesamtsituation erkundet werden, um eine Risikoabschätzung machen zu können.

Schiefergas bezeichnet Vorkommen, bei denen kleine Gasbläschen im Fels eingeschlossen sind. Um es zu fördern, wird das Gestein mit einer Mischung aus Wasser, Sand und einer Vielzahl chemischer Zusatzstoffe unter hohem Druck aufgesprengt, so dass das Gas durch Risse im Gestein aufgefangen werden kann. In Nordrhein-Westfalen hat die damalige schwarz-gelbe Landesregierung 19 Lizenzen zur Erkundung von Schiefergas und Kohleflözgas erteilt. Nach Angaben der aktuellen rot-grünen Landesregierung umfassen diese Lizenzen 60 Prozent der Landesfläche. Die Skepsis ist dort besonders groß, weil es auch um Gasvorkommen in Kohleflözen geht. Nirgendwo gibt es mehr Bergschäden als im größten Bundesland. Und die Bürger befürchten neue Probleme an ihren Häusern.

Nordrhein-Westfalen hat schon vor einem Jahr einen Antrag in den Bundesrat eingebracht, eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung, an der auch die Öffentlichkeit beteiligt werden muss, ins Bergrecht einzufügen. Der Wirtschaftsausschuss der Länderkammer hat den Antrag abgelehnt, der Umweltausschuss hat ihn noch nicht befasst. In Niedersachsen sind bisher fünf Probebohrungen genehmigt worden. In Baden-Württemberg sind in diesem Frühjahr zwei „Aufsuchungsgenehmigungen“ bei Konstanz und bei Biberach zunächst ausgelaufen.

In den USA hat die Förderung von unkonventionellem Erdgas einen Gasboom ausgelöst. Dass das Land 2011 den größten Rückgang der Kohlendioxid-Emissionen seit Jahren verzeichnet hat, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das Fracking zu sinkenden Gaspreisen und deshalb zum Ersatz von Kohle geführt hat. Ob die Klimabilanz bei unkonventionellem Erdgas tatsächlich besser ist als bei Kohle, ist allerdings umstritten. Das UBA-Gutachten macht dazu keine Aussagen. In den USA begann die Förderung im großen Stil Mitte der 2000er Jahre. Protest gab es zunächst keinen. Doch nachdem es durch die Fördermethode zu kleinen Erdbeben gekommen war und zudem Sorgen um das Trinkwasser aufkamen, weil die zum Teil sehr giftigen Fracking-Chemikalien meistens einfach nur in den Untergrund gepumpt werden, ist auch dort Widerstand aufgekommen. Seit Monaten werden die amerikanischen Gerichte mit entsprechenden Fällen beschäftigt. Uneingeschränkt positiv sieht wohl nur Polen die Technik. Dort gibt es bereits 26 Erkundungsbohrungen – und große Hoffnungen, sich aus der energiepolitischen Abhängigkeit Russlands befreien zu können.

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