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Nicolas Sarkozy.

© Reuters

Frankreich: Nicolas Sarkozy verspielt den Ruf seines Landes

Frankreichs Präsident wird daheim nicht mehr ernst genommen. Was ist geschehen, dass aus Nicolas Sarkozy eine Lachfigur geworden ist, der von Psychiatern öffentlich eine narzisstische Störung attestiert wird? Ein Kommentar.

Die EU nimmt den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy inhaltlich immerhin noch ernst: Sie will ein Strafverfahren gegen Frankreich einleiten, weil die gezielte Abschiebung von Roma ihrer Ansicht nach gegen den EU-Vertrag verstößt. Die Ankündigung der Tageszeitung „Le Monde“ vom gleichen Tag ist zwar auch nicht wirklich erfreulich; sie will Anzeige erstatten, weil sie Sarkozys Büro vorwirft, den Inlandsgeheimdienst eingesetzt zu haben, um Informanten in der Bettencourt/Woerth-Affäre herauszufinden. Harter Tobak.

Doch was den eitlen Hausherrn des Elyséepalastes weit stärker getroffen haben dürfte, ist der Titel des britischen Wochenmagazins „Economist“: Zur Schlagzeile „Der unglaublich schrumpfende Präsident“ zeigt er eine hochgewachsene, elegante Carla Bruni, hinter der unter einem riesigen Napoleon-Hut verborgen ein Zwerg hinterherstapft. Vernichtend, hämisch, lächerlich. Zumal Sarkozy bekanntlich ohnehin kleiner ist als seine Glamour-Ehefrau. Doch der respektlose Titel des seriösen Blattes, das Sarkozys Kandidatur 2007 unterstützte, zeugt nicht nur von enttäuschter Liebe. Er spiegelt die Niederungen der Debatte wider, in denen die Auseinandersetzung mit Sarkozy in Frankreich angekommen ist: Das Inhaltliche scheint fast zurückzustehen, vielmehr wird seine psychologische Verfasstheit begutachtet und bezweifelt: „Ist dieser Mann gefährlich“, „Gauner der Republik“, „Ist Sarkozy ein Versager?“ lauten die Titelblätter der eigentlich eher zahmen Polit- Magazine diese Woche.

Was ist geschehen, dass aus dem Reformer, der Frankreich aus dem Koma erwecken sollte, eine Lachfigur geworden ist, der von Psychiatern öffentlich eine narzisstische Störung attestiert wird? Zum einen schlägt Sarkozy nun der wenig präsidiale Ton und der mangelnde Respekt entgegen, den er selbst in die politische Debatte eingeführt hat: Einen Kritiker nannte er öffentlich „Blödmann“, Vorstädte wollte er per „Kärcher“ vom „Gesindel“ reinigen. Vielleicht rächen sich die Franzosen auch dafür, dass Sarkozy sie mit seinem glamourösen Lebensstil zunächst so in den Bann geschlagen hatte.

Vor allem aber ist von dem unerschrockenen Selfmademan, der eine schier endlose Chirac-Ära der Stagnation beendete, nicht viel übrig. Unberechenbar, reaktionär und manchmal fast verzagt wirkt er heute. Zwar ist die Rente mit 62 trotz Massenprotesten im Parlament auf dem Weg – wobei Sarkozy aber grundlos noch Abstriche an dem ohnehin bescheidenen Reformprojekt machte. Ansonsten scheint er sich zu erschöpfen in einem Burkaverbot, der Ausweisung von Roma und dem Entzug der Staatsbürgerschaft für Schwerkriminelle. Damit bringt er Frankreich nicht voran, sondern verspielt den Ruf des Landes als Hüterin der Menschenrechte.

Die französische Politik scheint sich immer mehr italienischen Zuständen anzugleichen. Mit dem Unterschied, dass laut Umfragen in Frankreich – anders als in Italien – noch Verlass auf die Wähler ist: Eine Wiederwahl Sarkozys scheint heute ausgeschlossen.

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