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Friedrich II. und Prinz Heinrich: Der Brüder beide

300 Jahre Friedrich der Große: Das bringt kritische Historisierung, mythenhungrige Stilisierung und volkstümelnde Trivialisierung. Und etwas wird verdrängt: Zu Friedrich II. gehört Prinz Heinrich. Denn der war sympathischer, vernünftiger, beherrschter.

Man muss die Feste schon feiern, wie sie fallen. Und deshalb ist nun eben der 300. Geburtstag Friedrichs des Großen dran – von der seriösen historischen Enquête bis zur billigen touristischen Vermarktung. Fehlt nur noch der Gemeinschaftsauftritt der preußi… pardon, der gesamtdeutschen Fernsehköche unter dem Titel „Kochen wie in Sanssouci“. Aber im Ernst: Natürlich war Friedrich der Große eine faszinierende Gestalt, schon – aber keineswegs nur – deshalb, weil so viele ihn dafür hielten; und dafür gab es ja sehr widersprüchliche Gründe.

Doch was könnte man sonst noch lernen aus dieser eigenartigen Polyphonie von kritischer Historisierung, mythenhungriger Stilisierung und volkstümelnder Trivialisierung des „Alten Fritzen“ – schon dies eine respektlose Anbiederung, die wahrscheinlich zurückgeht auf die zeitgenössische Kritik an seinen späten Regierungsjahren? Vielleicht dieses: Dass „historische Größe“ keine eindeutige Kategorie ist, sondern oft nur ein gewisser Überschuss der hellen Seiten über die dunklen Seiten einer Persönlichkeit – wie später bei Bismarck.

Und selbst dieser Überschuss ist zuweilen dem wilden Zufall und nicht der eigenen Vorhersehung geschuldet – wie im Falle Friedrichs des Großen. Ohne den plötzlichen Tod der Zarin Elisabeth, ohne das „Mirakel des Hauses Brandenburg“ gegen Ende des Siebenjährigen Krieges, wäre Preußen nie als europäische Großmacht etabliert worden und sein König als großer Bankrotteur untergegangen. Bei Machiavelli, den Friedrich II. anfangs ohne guten Grund und Verstand verächtlich machte, kann man über solche Erfahrungen der – wie es heute neuhochdeutsch heißt – „Kontingenz“ viel nachlesen, damals unter Machiavellis eigenwillig gedeutetem Leitbegriff Fortuna.

Vor allem aber: Vergesst mir über Friedrich II. seinen Bruder nicht, den Prinzen Heinrich! Nicht nur, dass der ihm viele wichtige Schlachten geschlagen hat. Er war, wenn auch naturgemäß nur im zweiten Glied stehend, in vielem die beherrschtere, vernünftigere und, wenn man so sagen darf, auch sympathischere Kontrastperson. Seine Kritik am königlichen Bruder hatte nicht allein militärisch vieles für sich.

Es ist ja etwas Sonderbares: Jährlich pilgern Abertausende zum Schloss Rheinsberg, teils Kurt Tucholsky, teils Friedrich den Großen, der nur vier Jahre als Kronprinz dort verbrachte, mit der Seele suchend. Doch was sie dort vorfinden, ist sowohl das Schloss als auch der Park des Prinzen Heinrich, der von 1752 bis 1802 dort lebte und baulich wie gärtnerisch vieles umgestaltete.

Im Park ließ Heinrich einen Obelisken aufstellen, auf dem die bedeutenden Feldherren Brandenburgs verewigt und gewürdigt wurden. Friedrich II. findet sich gerade nicht darunter – sehr wohl aber der gemeinsame Bruder August Wilhelm, den Friedrich nach einer verlorenen Schlacht brutal demütigte, obwohl er selber ihm unerfüllbare Befehle gegeben hatte. Auf seinem Grabmal im Park ließ Heinrich folgende Sätze verewigen: „Besucher, denke daran: Nirgendwo auf der Welt gibt es Vollkommenheit. Wenn ich auch nicht der beste Mensch sein konnte, so gehöre ich doch nicht zur Schar der Schlechten. Lob oder Tadel berühren den nicht mehr, der in der Ewigkeit ruht. Doch die süße Hoffnung verschönt die letzten Augenblicke dessen, der seine Pflichten erfüllt hat. Sie begleitet mich im Sterben.“

Größe gibt es nie eindeutig – la perfection n’est point sur la terre, siehe oben. Und wenn überhaupt, so gibt es sie kaum ungeteilt. Also erinnern wir uns der beiden Brüder zugleich, im Schein und Widerschein: Friedrich II. und Heinrich – was danach aus dem Hause Hohenzollern kam, kann sich ohnehin nicht mit ihnen messen.

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