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Meinung: Führung will verdient sein

Blair, Chirac und Schröder müssen ihren Machtanspruch erst noch rechtfertigen

Dieses Trio macht Hoffnung. Weil es nicht spaltet, sondern zusammenführt. Natürlich, wenn sich drei Große wie Tony Blair, Jacques Chirac und Gerhard Schröder treffen, um Angelegenheiten zu besprechen, die alle EU-Mitglieder angehen, weckt das den Argwohn der Kleineren. Und den Neid derer, die sich für groß halten, aber nicht eingeladen sind. Machen wir die umgekehrte Rechnung auf: Wie gut ist die EU mit Gipfeln gefahren, die nicht vorbereitet wurden durch Sondierungen, was konsensfähig ist und was nicht – und wo Kompromisschancen liegen? Im letzten Jahr ziemlich schlecht. Über Irak hat sie sich zerstritten, der Umgang mit dem Stabilitätspakt hat Zorn hinterlassen, die Verfassung ist im ersten Anlauf gescheitert.

Die Frage ist also: Wie lässt sich eine EU führen, die im Mai von 15 auf 25 Mitglieder wächst und in streitbarer Stimmung ist? Die Verhandlungen über die nächste Finanzperiode werden komplizierter, das Geld ist knapper, die Zahl der armen Partner aber wächst durch die Erweiterung. In der neuen EU-Kommission müssen Einfluss und Interessen neu austariert werden; sie hängt auch ab von der Mehrheit im Europaparlament, das im Juni neu gewählt wird.

Der Berliner Dreibund ist noch kein Ausweis, dass Deutschland, Frankreich und Großbritannien ein Direktorium bilden, das den anderen seinen Willen aufzwingen will. Im Gegenteil, das Trio muss sich durch Arbeit und Auftreten das Vertrauen in seine Führungsfähigkeit verdienen. Verlangt wird gerade das Gegenteil von der Durchsetzung eigener Interessen. Wenn Blair, Chirac und Schröder die Wünsche ihrer Partner und das Gemeinschaftswohl der EU nicht mit bedenken, haben sie schon verloren.

In der internationalen Politik ist das nicht anders als im Betrieb oder Verein: Erfolgreich führen kann nur, wer drei Bedingungen erfüllt – Hierarchie, Kompetenz, Vertrauen. Statt Hierarchie kann man bei Staaten auch Größe, Macht, Einfluss sagen. Kompetenz um Zuständigkeit ergänzen. Und Vertrauen als akzeptierte Interessenvertretung deuten.

Das erklärt, warum gerade dieses Trio sich trifft. Deutschland und Frankreich, die früher als Motor der europäischen Einigung galten, füllen diese Rolle allein nicht mehr aus. Weil ihr Gewicht in einer EU-25 nicht mehr ausreicht. Weil sie Vertrauen verspielt haben, etwa durch die egoistische Art, wie sie die Sanktionen für ihren Verstoß gegen den Stabilitätspakt abwehrten. Und weil sie Interessen, die in der erweiterten EU stärker werden, nicht glaubwürdig repräsentieren: die enge Partnerschaft mit Amerika und das Bemühen um Wirtschaftswachstum durch konsequente Liberalisierung und Reform.

Deshalb ist Blair dabei. Und deshalb fehlt der vierte Große: Italien ist wichtig, aber Silvio Berlusconi nicht konstruktiv. Umgekehrt sind Finnland oder Irland Deutschen und Franzosen voraus bei der wirtschaftlichen Dynamik und Schweden oder Holland bei den Reformen des Arbeitsmarkts und der Sozialsysteme; aber ihnen fehlt es an Einfluss.

Das Berliner Trio hat bereits Erfolge errungen: in der Verteidigungspolitik einen Kompromiss, der die EU stärkt, aber nicht zu Lasten der Nato; beim gemeinsamen Besuch in Teheran die Zusage Irans, keine Atombombe zu bauen. Und dank Blair sind sie auf gutem Weg, Polen und Spanien zum Kompromiss im Verfassungsstreit zu bringen. Das sollte der Bundesregierung zu denken geben, früher hatte sie dort den größten Einfluss.

Das Geheimnis solcher Führung: dienstbar sein, nicht herrschen. Gelingt sie, sichert sie größeren Einfluss als machtvoller Egoismus. Wenn nicht, sucht sich Europa eine andere.

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