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Ursula Weidenfeld

© Kai-Uwe Heinrich

Gastkommentar: Gewaltige Ungerechtigkeiten

Wer am Ende für die Wirtschaftskrise zahlen muss. Von Ursula Weidenfeld

Die Angst ist wieder da. Die Wirtschaftskrise, das Griechenland-Desaster und die wachsende Staatsverschuldung im Euroraum haben dafür gesorgt, dass die Menschen sich wieder vor Inflation fürchten. Die systematische Entwertung des Ersparten droht, so denken sie – und kaufen Gold, Aktien oder Immobilien, um ihr Vermögen zu sichern. Die Europäische Zentralbank (EZB) dagegen sieht mittelfristig keine Inflationsgefahr und bleibt erst einmal bei ihrer lockeren Haltung in der Geldpolitik.

Droht nun wirklich wieder eine große Geldentwertung, so wie sie Deutschland in den Jahren vor 1924 und 1948 erlebte? Wahrscheinlich nicht. Die EZB hat alle Instrumente, um das zu verhindern: Sie kann Zinsen anheben, und damit Geld teurer machen. Sie kann überschüssige Liquidität aus dem Markt nehmen, und damit die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes verlangsamen. Dazu muss die EZB den Mut haben, wenn es so weit ist. Denn Zinsanhebungen sind nicht populär. Sie machen die Staatsschulden teurer und sie verlangsamen das Wirtschaftswachstum.

Und doch wächst die Gefahr. Sogar in Deutschland hat sich das Inflations-Trauma abgenutzt. Inflation, so argumentieren nun wieder Volkswirte, sei doch eigentlich nicht so schlimm. Die Staatsschulden lassen sich so bequem entwerten, und die Politik kann auf hässliche Sparprogramme oder noch hässlichere Steuererhöhungen verzichten. Außerhalb Deutschlands ist diese Haltung noch populärer. Da außerdem der Inflationsdruck in anderen Regionen der Welt wieder steigt, läge es nahe, wenn auch der Euroraum seine Währung weicher werden ließe.

Klar aber ist: Irgendwer muss für die Staatsverschuldung der vergangenen Jahre gerade stehen. Wer die Last den Steuerzahlern aufbürdet oder Sparprogramme beschließt, muss fürchten, nicht wieder gewählt zu werden. Wer aber eine lasche Position zur Geldentwertung bezieht, nimmt hin, dass die Teile der Bevölkerung enteignet werden, die etwas gespart haben. Der scheinbar automatische Prozess sorgt für gewaltige Ungerechtigkeiten. Lohn- und Rentenbezieher werden benachteiligt, Sparer, Menschen, die in Lebensversicherungen investiert haben, verlieren ihr Guthaben. Schuldner, Aktionäre und Immobilienbesitzer dagegen profitieren.

Es geht nicht darum, ob die Wirtschaftskrise am Ende einen Preis fordert. Das wird sie tun. Es geht darum, wer den Preis bezahlen muss. Die Entscheidung darüber muss bewusst und offen gefällt werden. Politiker müssen das entscheiden und erklären, Wähler darüber abstimmen dürfen. Wenn sie es nicht freiwillig tun, muss die EZB sie dazu zwingen. Inflation ist keine Alternative.

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