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Meinung: Geld spielt keine Rolle

Der Rechnungshof zeigt Berlin, wie einfach das Sparen ist

Die Schuldenuhr tickt in Berlin unerbittlich laut. Beim Amtsantritt der rot-roten Koalition im Januar 2002 hatte die Hauptstadt bereits unvorstellbare 39 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Gestern nachmittag, so ist auf der Internetseite der Berliner Initiative „Geld-ist-alle“ zu besichtigen, war der Schuldenstand bereits auf 46 238 124 389 Euro angewachsen. Bei der virtuellen Maschine rattern die Zahlen mit der Geschwindigkeit einer Hamsterrolle: Jede Stunde kommen 406 800 Euro hinzu, haben die Initiatoren ausgerechnet. Dabei hat sich die SPD-PDS-Koalition doch zum Ziel gesetzt, der Stadt wieder eine Perspektive jenseits des Staatsbankrotts zu eröffnen. Davon sind wir weit entfernt. Der Solidarpakt, der immerhin ein Anfang hätte sein können, ist geplatzt. Und Finanzsenator Thilo Sarrazin hat bislang nur eines erreicht: den Berlinern den Ernst der Lage mit schonungsloser Offenheit klarzumachen.

Die Schulden-Zählmaschine könnte langsamer laufen. Dies belegt jedenfalls der Bericht des Berliner Landesrechnungshofes. Berlin steuert nicht nur deshalb auf den Bankrott zu, weil die Stadt immer noch strukturell über ihre Verhältnisse lebt. Offenbar wird in Berlin zudem unverantwortlich leichtfertig mit dem Geld umgegangen. Wenn die Hauptstadt rund 442 Millionen Euro einfach nur dadurch einsparen konnte, weil der Senat die kritischen Hinweise des Rechnungshofes auf Verschwendung und Einsparmöglichkeiten befolgte, ist das alarmierend. Welches Sparpotenzial da wohl noch an unbekannter Stelle oder Verwaltung verborgen ist. Wir haben es ja? Eben nicht. Schließlich würde selbst die Schließung eines kompletten Opernhauses gerade mal ausreichen, mit der eingesparten Summe von 80 Millionen Euro die Schuldzinsen des Landes für zehn Tage zu bezahlen; und das von hundertausenden Berlinern besuchte Schwimm- und Sportzentrum SEZ soll zum Jahresende dicht gemacht werden, weil der Senat damit jährlich fünf Millionen Euro Zuschuss sparen will.

Die Kunst des Sparens, das zeigt der Rechnungshofbericht, besteht in Berlin auch darin, die Reste jener in Mauerzeiten gewachsenen Versorgungsmentalität zu vertreiben. Die ist am stärksten ausgeprägt im immer noch aufgeblähten öffentlichen Dienst. Bei der Feuerwehr kassieren Büro-Angestellte jahrelang unberechtigte Zulagen, gehen zahlreiche Beamte schon mit 40 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand, müssen öffentlich Bedienstete für die von ihnen genutzten Parkplätze erst nach jahrelanger Verzögerung Gebühren zahlen. Hinzu kommen die überdimensionierten Projekte aus Wendezeiten, als Berlin in einem großen Sprung zur Metropole wachsen wollte. Allein bei den städtischen Entwicklungsgebiete, für die es keinen Bedarf mehr gibt, konnten durch die Kritik des Rechnungshof 224 Millionen Euro gespart werden.

Berlin lebt über seine Verhältnisse, und es verschwendet zu viel Geld – eine brisante Mischung. In der Bevölkerung gibt es die Bereitschaft, einen ernsthaften Sparkurs des Senats mitzutragen. Das zeigen die Reaktionen auf die Vorschläge des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit zu den gescheiterten Solidarpakt-Gesprächen mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes. Wer an anderer Stelle aber gedankenlos oder durch Schlamperei Hunderte von Millionen Euro verschwendet, der untergräbt den Rückhalt in der Bevölkerung. Ohne diese Bereitschaft aber muss jedes Sparkonzept scheitern. Dann tickt die Schuldenuhr mit unveränderter Geschwindigkeit weiter: jede Sekunde um 113 Euro. Das sind am Tag 9 763 200 Euro.

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