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Meinung: Gentechnik: Von der Angst, konservativ zu sein

Die beiden letzten Wochen müssen für die CDU der blanke Horror gewesen sein. Zwei Persönlichkeiten haben sich in der öffentlichen Debatte mit konservativen Positionen hervorgetan - und beide sind ganz und gar nicht in der CDU: Doris Schröder-Köpf forderte eine strengere Erziehung, und Johannes Rau will der Gentechnik enge Grenzen setzen.

Die beiden letzten Wochen müssen für die CDU der blanke Horror gewesen sein. Zwei Persönlichkeiten haben sich in der öffentlichen Debatte mit konservativen Positionen hervorgetan - und beide sind ganz und gar nicht in der CDU: Doris Schröder-Köpf forderte eine strengere Erziehung, und Johannes Rau will der Gentechnik enge Grenzen setzen. Während die CDU sich vor nichts mehr fürchtet als davor, beim Konservativ-Sein erwischt zu werden, betreten andere kühn den dadurch frei werdenden Raum, der Bundespräsident, die Kanzlergattin, die Grünen. Und, was am schlimmsten ist: Sie haben damit auch noch Erfolg.

Noch unerfreulicher als die vergangenen dürften für die Union jedoch die kommenden beiden Wochen werden. Denn da wird die Diskussion um die Gentechnik einen neuen Höhepunkt erklimmen. Die Fraktionen der beiden Volksparteien wollen sich eine Meinung bilden zu Präimplantationsdiagnostik (PID), embryonalen Stammzellen und therapeutischem Klonen. Und am 31. Mai wird der Bundestag debattieren.

Keine Partei wird das Thema so sehr zerreißen wie die Christdemokraten. Katholisch orientierte Lebensschützer stehen auf der einen, an der englischen Lösung orientierte Liberalisierer auf der anderen Seite. Alle übrigen Parteien haben es da leichter: Die Grünen sprechen sich fast einstimmig gegen PID und gegen Forschung an embryonalen Stammzellen aus, während die FDP (siehe unten) ebenso einheitlich das Gegenteil vertritt. In der SPD gibt es zwar auch verschiedene Standpunkte, allerdings liegen bei ihr die Extreme nicht so weit auseinander: Lebensschützer spielen keine Rolle, echte Euphoriker finden sich auch nur selten.

Wenn die CDU ihre Stammwähler nicht grob enttäuschen will, dann müsste ihr Genpolitik idealtypisch so aussehen: Nach einer ernsten Debatte auf hohem moralisch-intellektuellen Niveau, wird die Abstimmung im Bundestag freigegeben, aber die Mehrheit der CDU stimmt konservativ mit der CSU, den Grünen sowie den Teilen von SPD und PDS, die sich gegen PID wenden werden.

Diesem Verlauf stehen jedoch zwei Dinge entgegen. Zum einen eben jene Angst vor dem eigenen Konservatismus, die Panik davor, als katholisch und gestrig zu wirken. Zum anderen fehlt es den Gentechnik-Gegnern in der CDU bisher an einer wirkungsvollen, dem breiten Publikum bekannten und vertrauten Stimme.

Die Liberalisierer in der CDU haben dagegen einen wirkungsvollen Vormann gefunden: Wolfgang Schäuble bewegt sich offenbar auf eine Position zu, die der englischen Lösung und dem Ansatz von Kulturminister Julian Nida-Rümelin nahe kommt. In einem Interview mit der "Zeit" sagt er zum Beginn des menschlichen Lebens: "Ich kann es mir nicht losgelöst von der Mutter vorstellen." Auch in England kommt - seit einigen Monaten - erst dem eingenisteten Embryo ab dem 14. Tag ein Lebensrecht zu. Eine Lösung, die komplizierte juristische Konstruktionen, wie sie bei uns diskutiert werden, überflüssig machen würde.

Wenn das so bleibt - Schäuble und auch Peter Hintze wollen liberalisieren, Friedrich Merz und Angela Merkel wollen moderieren, und die Konservativen sind stimmlos - dann wird sich in den nächsten Jahren das Problem der CDU mit der eigenen Identität verschärfen - und das Verhältnis zu den Kirchen weiter verschlechtern. Wenn man es in einer Sprache ausdrücken soll, die der CDU eigentlich vertraut ist: Die christdemokratische Partei wird ihre Seele verlieren. Aber zur Not gibt es ja noch die CSU.

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