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Meinung: Hilfe aus Selbsthilfe

Amerika und Europa streiten über fairen Handel mit der Dritten Welt – und denken dabei nur an sich

Beim EU-USA-Gipfel geht es angeblich um eine Wiederannäherung von Europäern und Amerikanern? Wenn das stimmt, wäre er schon gescheitert. Noch vor der Begrüßung gab US-Präsident Bush den Europäern die Schuld daran, dass in Afrika Tausende verhungern. Nur aus Angst vor europäischen Handelsbeschränkungen weigerten sich die Afrikaner, gentechnisch veränderte Lebensmittel aus den USA als Hilfe zu akzeptieren.

Tatsächlich haben einige afrikanische Staatschefs Angst, sich mit der Nahrungsmittelhilfe die Gentechnik gleich mit auf die Äcker zu holen. Denn was passiert, wenn die gentechnisch veränderten Maiskörner nicht aufgegessen, sondern ausgesät werden? Niemand könnte dann kontrollieren, wo konventioneller und wo gentechnisch veränderter Mais angebaut wird. Wenn die Hungersnot im Süden Afrikas eines Tages überwunden wäre, und die betroffenen Länder wieder zu Exporteuren werden könnten, dann wäre ihnen der europäische Markt verschlossen.

Die Europäer und auch Japan verweigern die Einfuhr gentechnisch veränderter Lebensmittel, wenn die nicht als solche gekennzeichnet sind. George W. Bush zieht daraus den Schluss, die Europäer seien schuld am Hunger in Afrika. Dass mehrere afrikanische Staaten das Angebot gentechnisch veränderter Nahrungsmittelhilfe ablehnen, weil sie, wie der sambische Präsident sagt, „nicht als Versuchskaninchen herhalten“ wollen, hat die amerikanische Regierung ungeheuer erbost. Deshalb klagen die USA nun vor der Welthandelsorganisation (WTO) gegen die EU.

Es geht in diesem Konflikt jedoch nicht in erster Linie um Amerikas Wohltätigkeit, die in Afrika abgelehnt wird. Es geht um die schlechten Geschäfte der amerikanischen Farmer mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Deshalb machen sie Druck auf ihre Regierung. Und es geht um die Hilfe der US-Regierung für ihre Not leidenden Farmer. Sie übernimmt die unverkäuflichen Überschüsse aus der Gentech-Produktion und verkauft sie an das Welternährungsprogramm – als Nahrungsmittelhilfe für Afrika.

Die USA tarnen ihre Agrarsubventionen geschickt als Hilfsleistungen. Die Europäer subventionieren ihre Bauern dagegen direkt. Deshalb geraten sie im Streit mit den USA über die WTO-Regeln schnell in die Defensive. Nicht ganz zu Unrecht. Ein Großteil der EU-Subventionen fließt an Bauern, die ohnehin viel haben – hohe Erträge, gute Böden oder viele Rinder. Die USA finden das grob marktverzerrend. Das sehen auch viele Entwicklungsländer so.

Auch deshalb kämpft EU-Agrarkommissar Franz Fischler für eine Reform der EU-Agrarpolitik. Leider können sich die Minister nun schon seit Wochen auf keine Reform einigen. Schuld daran ist vor allem der französische Präsident Jacques Chirac. Er sieht keinen Grund, etwas zu ändern. Schließlich kassiert Frankreich mit rund 22 Prozent der europäischen Agrarsubventionen den größten Batzen aus Brüssel. Und Deutschland zahlt dafür als größter Nettozahler. Warum soll Paris diese bequeme Lösung kampflos aufgeben?

Zwar könnten die Agrarminister die störrischen Franzosen überstimmen. Doch damit wäre nichts gewonnen, wenn Paris sich dem nicht beugt. Das würde die EU in eine existenzielle Krise stürzen. Schlecht steht die EU allerdings auch da, wenn die Agrarminister sich bis Sonnabend nicht auf eine vernünftige Reform einigen: als unglaubwürdiger Partner in den Welthandelsrunden, der seine Versprechen nicht einlöst. Es wird Zeit, dass Chirac sich bewegt. Weil die EUAgrarsubventionen berechtigten Handelsinteressen der Entwicklungsländer schaden.

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