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Befürworter der Homo-Ehe demonstrieren vor dem Obersten Gerichtshof in Washington.

© dpa

Homo-Ehe in den USA: Am Ende steht wohl kein Anspruch auf Gleichstellung

Die Mehrheit der Amerikaner befürwortet inzwischen die Homo-Ehe. In den kommenden Wochen wird dazu der Oberste Gerichtshof ein Urteil sprechen. Unser Autor Christoph von Marschall befürchtet: "Die Befürworter waren mit ihrem Aktionismus zu erfolgreich."

Amerika erlebt gerade eine Lehrstunde über die Unterschiede zwischen Demoskopie, Demokratie und Rechtsstaat. Sowie über die praktischen Folgen der Gewaltenteilung. In den Tagen vor und während der Anhörung des Obersten Verfassungsgerichts zur Homo-Ehe hatten die Medien deren Anhänger zu den Gewinnern der Woche erklärt. Die Eroberung der Meinungshoheit, so der vorschnelle Schluss, ziehe juristische Siege nach sich.

In den Tagen seither hat sich der Ton gewandelt. Nun prognostizieren die Kommentatoren in einer erstaunlichen Kehrtwende: Die Befürworter seien politisch zu erfolgreich und könnten deshalb nur beschränkt auf die Hilfe der Gerichte hoffen. Das Verfahren werde mit einem Pyrrhussieg enden. Die Richter würden voraussichtlich die offene Benachteiligung verbieten, die rechtliche Gleichstellung mit der traditionellen Ehe aber (noch) nicht vorschreiben.

Noch eine Lehre drängt sich auf: Populistischer Aktionismus ist kein langfristiges Erfolgsrezept. Binnen weniger Jahre sind die konservativen Gegner der Homo-Ehe mit dieser Strategie gescheitert. Nun werden wohl die Befürworter dieselbe Erfahrung machen. Denn auch sie haben es mit dem öffentlichen moralischen Druck für ihr Anliegen übertrieben.

Die amerikanische Gesellschaft hat ihre Einstellung zur Homo-Ehe rapide geändert, daran lassen die Umfragen keinen Zweifel. 1996 waren 27 Prozent bereit, sie zu akzeptieren, 2008 44 Prozent, heute sind es 53 Prozent. In den Parlamenten bildet sich die neue gesellschaftliche Mehrheit aber noch nicht ab. Sie ist ja auch noch sehr jung und zahlenmäßig äußerst knapp. Nur in neun der 50 Bundesstaaten sowie in der Hauptstadt, dem District of Columbia, ist die Homo-Ehe zugelassen. In 31 Staaten dagegen verbieten Verfassungszusätze die rechtliche Gleichstellung mit der traditionellen Ehe. Die Republikaner hatten das durchgesetzt, als die Ablehnungsfront noch stark war. Auf Bundesebene setzte der Demokrat Bill Clinton ein solches Verbot mit dem „Defense of Marriage Act“ (Doma) 1996 in Kraft – auch aus taktischen Gründen, um seine Wiederwahl zu sichern.

Das bringt die Exekutive in eine paradoxe Lage. Die Regierung Obama meint, das Gesetz sei verfassungswidrig. Solange „Doma“ jedoch geltendes Recht ist, muss sie es anwenden und, zum Beispiel, Lebenspartnern homosexueller Soldatinnen und Soldaten sowie anderer Staatsangestellter die Leistungen verweigern, auf die traditionelle Eheleute Anspruch haben.

Die Judikative ist gespalten entlang der weltanschaulichen und parteipolitischen Linien. Richter, die den Demokraten zuneigen, halten das Verbot der Homo-Ehe für verfassungswidrig und zeigen sich offen für eine rechtliche Gleichstellung. Konservative Richter sind überwiegend der Meinung, es gebe gute Gründe für den Schutz der traditionellen Ehe. Neben den unterschiedlichen Ansichten zu Homo-Ehe und Ehe spielen drei weitere Fragen eine entscheidende Rolle für den Ausgang des Verfahrens. Erstens: Soll der Staat die Formen der Lebensgemeinschaften regeln oder ist das Privatsache der Bürger? Zweitens: Wenn der Staat es regelt, fällt das in die Kompetenz der Einzelstaaten – das ist die Mehrheitsmeinung – oder des Bundes? Drittens: Sollen Gerichte über den Hauptstreitpunkt urteilen oder sich auf die Prüfung verfahrensrechtlicher Fragen beschränken? Der Gesetzgeber müsse festlegen, ob die Homo-Ehe mit der traditionellen Ehe gleichzusetzen sei oder eine Sonderform darstelle.

Angesichts der vielschichtigen Lage werden die Verfassungsrichter vermutlich das Bundesgesetz gegen die Homo-Ehe kippen. Auch im Einzelfall Kalifornien, wo das Regionalparlament die Homo-Ehe erlaubt hat, aber zwei Volksabstimmungen dagegen ausfielen, werden die Richter zugunsten von Lesben und Schwulen entscheiden.

Sie werden aber wohl nicht das von Lesben und Schwulen erhoffte Grundsatzurteil fällen, dass die Homo-Ehe überall in den USA zuzulassen sei. Sie wollen die Entscheidung den gewählten Gesetzgebern überlassen, im Zweifel in den Einzelstaaten. Generelle Verbote von Homo-Ehen passen nicht mehr in die Zeit. Die Richter sind aber mehrheitlich skeptisch gegenüber der Behauptung, es dürfe keinen Unterschied zwischen Ehe und Homo-Ehe geben und selbst eingetragene Lebenspartnerschaften mit vollen Rechten wie in Kalifornien seien eine Form der Diskriminierung. Ungleiches darf man schließlich ungleich behandeln.

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