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Autor Matthias Kalle.

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"Ich habe verstanden": Was ist eigentlich kein gutes Kolumnenthema?

Kolumnen über Dieter Bohlen oder Schwaben in Prenzlauer Berg hat Matthias Kalle von seinem Ideen-Zettel gestrichen. Zu groß ist der Originalitätsdruck, der unserem Autor ganz schön zu schaffen macht.

Dieser Originalitätsdruck – Mann, Mann, Mann – der ist es ja, der einen fertig macht, so als Kolumnist. Schreiben, na ja, das Schreiben, das ist das eine, aber sich etwas auszudenken, von dem man glaubt und hofft, dass der Leser vor Verzückung vergeht, weil er so etwas noch niemals irgendwo gelesen hat, ja, wo der Leser nicht mal im Traum drauf kommen würde, dass es so ein Thema überhaupt gibt – das, meine Damen und Herren, das funktioniert ja wenn es hoch kommt vielleicht drei, viermal im Jahr.

Vor einigen Monaten habe ich an dieser Stelle darüber berichtet wie ich mich gefühlt habe, als ich ein Knöllchen bekommen habe. Das war falsch, ein Fehler, die Leserkommentare waren zurecht unfreundlich, das Thema allerdings so mau, dass man nicht mal von einem Shitstörmchen sprechen kann. Spießig sei das, was ich da geschrieben hätte, langweilig, Stammtisch-Niveau. Im Nachhinein kann ich mich für diesen Text nur in aller Form entschuldigen.

Am Sonntag, dem angeblich heißesten Tag des Jahres, bin ich mit der Bahn gefahren. Seit Sonntag habe ich mich geweigert, auf meinen Ideenzettel die Worte „Bahn“ und „Klimaanlage“ zu schreiben, seit Sonntag denke ich: Nee. Das kannst Du nicht schreiben. Die Leser haben etwas Besseres verdient, etwas Originelleres, die wissen selber ganz genau, dass es am Sonntag, dem angeblich heißesten Tag des Jahres, mit Sicherheit nicht lustig war in einem Wagen der Bahn zu sitzen, in dem die Klimaanlage nicht funktioniert. Tatsächlich kann jeder darüber eine Kolumne schreiben, sogar die, die nicht am angeblich heißesten Tag des Jahres mit der Bahn gefahren sind.

Für einen Kolumnisten, der etwas auf sich hält, fällt das Thema „Bahn“ aus. Und zwar komplett, mit allem was dazugehört: kein Text über das Durchsagen-Englisch des Zugchefs; nicht ein Wort über verspätete Züge; Schweigen über überfüllte Wagen; nie wieder Sätze über den Charme des Bord-Bistros, über die Uniformen der Angestellten, über Rentner und ihre Kämpfe mit den Koffern, über Preiserhöhungen, über den Vornamen „Bahnchef“ der Herren Mehdorn und Grube und vor allem über den Berliner Hauptbahnhof, die dortige Taxi- und Parksituation und die generelle Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Mit so einer Nummer kann man in keinem Provinz-Kabarett mehr auftreten.

Neben der Bahn gibt es noch andere Themen, die auf dem Kolumnistenindex stehen, wenn sie also eine Kolumne lesen, in der eines der folgenden Themen vorkommt, dann haben Sie das Recht sich so aufzuregen, wie ich mich vergangenen Sonntag... aber lassen wir das. Also – auf dem Index stehen:

-         der Berliner Großflughafen (darum sollten sich nur noch die investigativen Kollegen kümmern, denn das ist alles wirklich nicht mehr lustig)

-         die Feststellung, dass Berlin ja gar nicht so ist wie New York

-         den Prenzlauer Berg in Zusammenhang zu bringen mit Schwaben, Latte Macchiato, Müttern und Yuppies, also dieser 80er-Jahre Band

-         das Abarbeiten an folgenden Personen: Dieter Bohlen, Carla Bruni, Peter Altmaier, Bushido, dem Piraten-Politiker; dem Griechen, dem Italiener

-         das Ablehnen von Talkshows, von Filmen aus Hollywood, von Benzinpreiserhöhungen, von Mode und von sozialen Netzwerken

-         Kritik an Politikergehältern

-         Witze über Bayern München

-         Witze über Christian Wulff

-         Witze über Lothar Matthäus

-         alle Versuche, einen Dialekt in Schriftform nachzuahmen

Außerdem verboten ist das Thema „Was ist eigentlich kein gutes Kolumnenthema?“

Aber erst ab jetzt.

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