zum Hauptinhalt

In der Zwitterrolle: Die Grünen: Heiß und kalt

In Stuttgart und Berlin wollen die Grünen alles sein: gleichzeitig dafür und dagegen. An diesem Versuch, es allen recht zu machen, zerbricht in Baden-Württemberg bereits die SPD.

Die Kunst beim Feuer machen besteht von altersher darin, es in Gang zu halten, ohne sich selbst oder Hab und Gut zu verbrennen. Die Grünen versuchen im Moment, diesen tradierten Umgang mit dem heißen Element durch eine naturwissenschaftlich nicht haltbare Variante zu erweitern: Sie wollen Feuer gleichzeitig anfachen und löschen. Das klappt nicht am Stuttgarter Hauptbahnhof, und es wird auch im Umfeld des gerade in Bau befindlichen Berliner Flughafens nicht hinhauen.

Die Grünen sind in der im parlamentarischen System eigentlich nicht vorgesehenen Zwitterrolle, gleichzeitig Regierung und Opposition sein zu wollen. An diesem Versuch, es allen recht zu machen, zerbricht in Baden-Württemberg bereits die SPD. Die war eigentlich für Stuttgart 21, merkt jetzt aber, dass das nicht mehr angesagt ist und will nun eine Volksabstimmung oder -befragung. Die Landesverfassung gibt das kaum her. Die Bürger erkennen den Eiertanz und stufen die Sozialdemokraten deshalb zum Juniorpartner herab. Bei der CDU des kantigen Stefan Mappus gefällt den Wählern hingegen offenbar der klare Kurs.

Beim gleichen Thema droht den Grünen die Spaltung. Ihr Vorsitzender, Cem Özdemir, ist bereit, den Schlichterspruch Heiner Geißlers zu akzeptieren. Auf Landesebene forderten die Grünen jedoch bei ihrem Landesparteitag einen Volksentscheid, in der Hoffnung, so die Tieferlegung des Hauptbahnhofs stoppen zu können. Diese Ambivalenz dürfte bei den Baden-Württembergern kaum gut angekommen. Bei aller Streitlust um Stuttgart 21 erwarten sie nach dem beeindruckenden Schlichtungsverfahren mehrheitlich eine Respektierung dessen Ergebnisses. Noch mehr wird den Grünen im Südwesten die Bereitschaft Winfried Kretschmanns schaden, zur Not eine Mehrheit mit der Linkspartei zu zimmern, wenn es mit den Sozialdemokraten alleine nicht reicht.

In Berlin versucht derweil die designierte grüne Spitzenkandidatin Renate Künast, vom Streit um die Flugrouten zu profitieren. Ihre jüngsten Äußerungen in einem Interview lassen nur zwei Interpretationen zu: Entweder weckt sie unverantwortlich nicht erfüllbare Hoffnungen, oder sie steht einfach noch nicht im Stoff. Frau Künast meint, man müsse darüber reden, ob in Schönefeld ein Flughafen für den Europaverkehr oder ein internationaler, gar ein Drehkreuz, entstehen solle.

Nun sind die kleineren Maschinen des Europaverkehrs, vor allem, wenn sie nicht voll getankt sind, natürlich leiser und steigen schneller als die großen Maschinen des Fernverkehrs. Aber der neue Flughafen soll ja gerade durch seine großzügige Infrastruktur Berlins Verkehrsanbindung an die Welt endlich verbessern. Das Fehlen globaler Anbindung im Luftverkehr ist ein ganz entscheidender Standortnachteil für Berlin. Die Anbindung zu erreichen, wird auch mit dem existierenden, absoluten Nachtflugverbot gelingen. Das Bundesverwaltungsgericht hat es auf die Kernzeit zwischen Mitternacht und fünf Uhr früh festgelegt. BBI steht übrigens für „Berlin-Brandenburg-International“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false