zum Hauptinhalt
Die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff, bei Vorstellung ihres neuen Tätigkeitsberichts

© dpa

Informationsrechte: Wie wir Merkel bespitzeln können

Niemand hat es ihr zugetraut, doch die neue Datenschutzbeauftragte legt sich mit der Regierung an. Erst forderte sie die Vernehmung Edward Snowdens, jetzt den öffentlichen Zugang zu Kabinettsprotokollen. Ihr Beispiel zeigt: Das Amt prägt den Menschen stärker als dieser das Amt.

Hoppla, was war das denn? „Das ist aus datenschutzrechtlicher Sicht sicher sinnvoll. Keine Frage.“ So äußerte sich die in der Öffentlichkeit weithin unbekannte Bundesbeauftragte für Datenschutz, Andrea Voßhoff, zu einer möglichen Vernehmung Edward Snowdens im NSA-Untersuchungsausschuss. Dass schon das Wort „Sinn“ in dem Statement vorkommt, werden manche Unionsteilnehmer als Affront empfunden haben, sehen doch viele in dem Gremium ein Folterinstrument des tückischen Alten Hans-Christian Ströbele, den politischen Gegner zu quälen. Und dann Voßhoff – CDU, katholisch, verheiratet, als Rechtspolitikerin im Bundestag eine Freundin von Vorratsdatenspeicherung, Acta, Online-Durchsuchung und dergleichen Zumutungen. Es riecht nach Verrat.

Nein, so wird es kaum gewesen sein. Nur ein Beleg dafür, dass ein Amt seinen Träger stärker formt als dieser das Amt. Frau Voßhoff hat dafür ein noch eindrücklicheres Beispiel geliefert, von dem die Öffentlichkeit kaum Notiz genommen hat. Wie auch, sie hat es gut versteckt.

Denn Voßhoff ist zugleich Beauftragte für Informationsfreiheit. Sie hätte also zur Einvernahme Snowdens auch sagen können: „Das ist aus informationsfreiheitlicher Sicht sicher sinnvoll. Keine Frage.“ Und hätte damit genau so richtig gelegen. Provozierender als dies liest sich jedoch ein Abschnitt aus dem jetzt in dieser Eigenschaft vorgestellten Tätigkeitsbericht, der sich der heiligsten Verschlusssache des demokratischen Rechtsstaats widmet, den Entscheidungen des Kabinetts. Protokolle der Sitzungen werden traditionell als geheim eingestuft. Doch Frau Voßhoff sagt es dezent-formell wie bei Snowden: „Ich sehe hier Diskussionsbedarf.“ Und das stimmt.

Geheim ist für die Regierung vielfach nur eine Floskel. Geheim ist, was geheim sein soll. So denkt man in den Spitzen der Exekutive. So läuft es aber nicht. Transparenz ist die Regel, Geheimschutz die Ausnahme. Die Begründung für den Geheimschutz der Kabinettsprotokolle „scheint mir vor diesem Hintergrund etwas knapp“, schreibt Frau Voßhoff höflich, aber bestimmt. Auch der regierungsseitig gern bemühte „Schutz des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung“ sollte doch nur in „eng begrenzten Ausnahmefällen“ greifen, flötet Frau Voßhoff. Ja, da habe sie doch „Bedenken“ angesichts der bisher geübten Praxis.

Zugänglich sind bislang nur historische Protokolle, aktuell bis 1982. Die Bundesregierung feiert das als „weltweit einzigartige wissenschaftliche Edition“. Ein Witz gegen das, was Frau Voßhoff jetzt möchte, mit zarten Tönen: Ein Fuß in den Spalt der Kabinettstür, wenigstens nachträglich und wenn’s keinem wehtut. Gewiss eine freche Forderung in dieser Zeit. Erst bespitzelt die NSA Frau Merkel und die Ihren, jetzt sollen wir es alle tun. Frau Voßhoff, wir machen mit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false