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Iran-Besuch: In Schröders Welt

Ex-Kanzler Gerhard Schröder war im Iran und wird dafür getadelt – auch aus den falschen Gründen.

Politik ist wie eine Schönheitsoperation: Sie entstellt und macht süchtig. Ehemalige Politiker fühlen sich daher oft wie auf Entzug. Sie kämpfen gegen die Bedeutungslosigkeit. Einige buhlen um Talkshowauftritte, andere treiben sich auf Empfängen herum oder verdingen sich an die Wirtschaft. Nicht alle diese Aktivitäten lassen sich ohne Mitleid betrachten. Dass es in einer Demokratie ein Amt nicht auf Lebenszeit gibt, fällt vielen Akteuren kaum minder schwer zu akzeptieren als dem Großteil des Publikums. Weil folglich ein Präsident Präsident und ein Kanzler Kanzler bleiben muss, wurde der Beruf des „elder statesman“ erfunden. In ihm lebt die Sehnsucht des Volkes nach einem Monarchen und die des Ex-Amtsinhabers nach der Monarchie fort.

Ex-Kanzler Gerhard Schröder war im Iran. Dort traf er den Präsidenten, Holocaustleugner, Scharia-Fan und Israelfeind Mahmud Ahmadinedschad. Prompt wurde Schröder kräftig kritisiert. Er hofiere das Regime, leiste Wahlkampfhilfe für Ahmadinedschad, stelle als Gasprom-Lobbyist die Wirtschaftsinteressen vor die Moral. Schließlich sei Schröder ein international angesehener Politiker, ein „elder statesman“. Doch aus einer falschen Prämisse folgt keine richtige These. Denn die Wahrheit lautet: Schröder überschätzt sich, und das Publikum überschätzt ihn, und weil es das tut, fühlt er sich in seiner Selbstüberschätzung bestätigt. Ein Teufelskreis.

Ein „elder statesman“ ist man nicht, man wird einer. Richard Nixon war keiner, George W. Bush wird wohl keiner werden – ebenso wenig wie Silvio Berlusconi oder eben Gerhard Schröder. Das Beispiel Jimmy Carter wiederum, der als erster US-Ex-Präsident in Castros Kuba war, dauernd nach Nordkorea reiste und einen engen Dialog mit der radikalislamischen Hamas pflegt, zeigt, dass selbst ein Friedensnobelpreisträger als irrlichternder Privatmann nur noch wenig Unheil stiften kann. Auf Schröders Iranreise übertragen: Weder nützt noch schadet sie wohl sonderlich, weder wird Teheran nun sein Atomprogramm aufgeben oder den Holocaust als Faktum akzeptieren, noch wird Israel bedrohter sein oder Ahmadinedschad automatisch wiedergewählt.

Wer Schröders Einfluss auf die internationale Politik minimieren will, kann nur eins tun: Seine Eskapaden tief hängen. Willkommen sind sie im Fall Irans nur deshalb, weil sie erneut den Fokus auf die deutschen Exporte gen Teheran gelenkt haben, die zwischen Januar und November 2008 um satte 10,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind. Sie stabilisieren das System sehr viel mehr als ein deutscher Sozialdemokrat.

Und das zu einem Zeitpunkt, an dem die UN-Atombehörde IAEA feststellt, dass der Iran über weitaus mehr Nuklearmaterial verfügt, als bislang bekannt war. Das regierungsunabhängige „Institute for Science and International Security“ (ISIS) in Washington kommt gar zu dem Ergebnis, dass die Mullahs bereits die kritische Schwelle zur „nuclear weapons breakout capability“ überschritten haben. Die Bombe kann also gebaut werden.

Wer weiß, vielleicht wird es rückblickend einst heißen: Bevor es tatsächlich ernst wurde, hatte der Westen alles versucht. Doch selbst ein Besuch des deutschen Ex-Kanzlers Schröder vermochte die Mullahs nicht mehr umzustimmen. Das Dialogangebot verhallte. Es blieb nur noch eine Wahl.

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