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Meinung: Jetzt geht’s Richtung Heimat

Neue Ziele nach dem Krieg: Was Amerika und Europa trennt – und eint

Komische Vorstellung: dass sich der Zwist bis in die Schulbücher fortsetzen könnte. Dort wird ein Datum stehen, wann dieser Krieg vorbei war. Wird es überall das selbe sein – und welches? Der 1. Mai, den Präsident Bush jetzt auf einem Flugzeugträger im Pazifik als Ende der Kampfhandlungen ausrief? Der 9. April, den die TV-Öffentlichkeit in Deutschland und anderswo instinktiv so empfand: als die Saddam-Statue in Bagdad stürzte und Iraker amerikanische Fähnchen schwenkten, nachdem der organisierte Widerstand der irakischen Armee zusammengebrochen war? Oder der Tag, an dem die Vereinten Nationen irgendwann demnächst die Irak-Sanktionen aufheben und einer Nachkriegsregierung ihren Segen geben?

Das Kämpfen und Bomben hat ein Ende, die Iraker dürfen Hoffnung auf einen Neuanfang schöpfen. Und das ist doch die Hauptsache. Nun könnte der im Krieg gespaltene Westen sich zusammentun, um den Nachkrieg gemeinsam zu gewinnen. Aber die gemeinschaftliche Erleichterung über den guten Ausgang, wie sie den Westen am Ende des Kosovo-Kriegs 1999 verband, ist im Fall Irak einfach nicht stark genug, um den Streit über die Vorgeschichte zu heilen. Der trennt, stärker als das Ringen um die Nachkriegsordnung und die Frage, wer sie bestimmt. Deshalb hat Präsident Bushs 25-minütige Rede so viel Kritik außerhalb Amerikas ausgelöst. Und nicht allein wegen der spärlichen Ausführungen über die bisher erfolglose Suche nach Massenvernichtungswaffen – die immerhin offizieller Kriegsgrund waren. Oder wegen der abermaligen Einordnung des IrakKriegs in den Kampf gegen den internationalen Terror nach dem 11. September, wobei Bush überzeugende Belege für die Verbindung Al-Qaida-Saddam schuldig bleibt. Oder wegen des missionarischen Pathos’, das viele Deutsche so schwer ertragen können.

Bush hat eine „coming home“-Rede an sein Militär und an seine Nation gehalten. Tenor: Wir haben das Richtige getan, der Diktator ist gestürzt, Opfer und Zerstörungen sind, gemessen an früheren Kriegen, minimal. Der Krieg ist nicht vorbei, es warten noch viele Probleme auf dem Weg zum Frieden. Aber dies ist ein Etappensieg im weltweiten Kampf gegen den Terror.

Die von den Soldaten meist bejubelte Stelle „Jetzt geht es Richtung Heimat“ könnte skeptische Europäer beruhigen. Sie lässt sich auch politisch deuten. Bush plant nicht weitere Kriege – gegen Syrien, Nordkorea oder Iran –, wie manche argwöhnen. Sein Hauptprojekt ist nun die Wiederwahl 2004. Die Wirtschaft muss anspringen, der Schuldenberg abgebaut werden, und Irak eine Erfolgsstory bleiben.

Hier treffen sich Amerikas und Europas Interessen. Gemessen an deren Gewicht sind die Streitfragen UN-Mandat, Nachkriegsordnung, Aufhebung der Sanktionen nachgeordnet. Weshalb man sie mit etwas gutem Willen pragmatisch lösen könnte. Niemand außer den USA und Großbritannien will derzeit die Truppen stellen, die Frieden und Stabilität durchsetzen. Niemand anders hat ein Konzept für die Herausbildung einer Regierung und Verwaltung, die diese ethnische und konfessionelle Vielfalt repräsentiert. Schon gar nicht haben die UN da irgendetwas anzubieten – außer ihrer Autorität, diesen Prozess zu legitimieren. Das ist nicht wenig – und der Wert des UN-Segens hat sich durch das völkerrechtswidrige Vorgehen der USA noch erhöht. Aber es ist auch nicht so viel, dass die UN und Europa erwarten dürfen, dass Amerika im Irak nach ihrer Pfeife tanzt. Wie die Dinge liegen, haben allein die USA die Mittel, auch den Nachkrieg zu einem guten Ende zu bringen. Und das soll die Geschichtsbücher dominieren – in Europa wie in Amerika.

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