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Und zum Trost 'ne Currywurst. Trauer um Knut.

© dapd

Knuts Tod: Das Tier und wir

Wir bauen Knut ein Denkmal und schlachten fröhlich weiter. Warum die Vegetarierdebatte ohne Folgen blieb. Ein Nachruf.

Von Anna Sauerbrey

Endlich Klarheit! Knut starb nicht an gebrochenem Herzen, weil er über den Tod von Thomas Dörflein nicht hinweggekommen ist. Es war auch nicht der enorme Stress, den er hatte wegen der, sagen wir, asymmetrischen Beziehung zu seinen beiden Mitbewohnerinnen. Letztlich war es wohl eine Hirnerkrankung. Etwas profaner, aber natürlich nicht weniger tragisch. Ein Denkmal bekommt Knut trotzdem, da können wir dann unsere Kränze niederlegen. Wie in Paris, an der Einfahrt zu dem Tunnel, in dem Lady Di in eine Wand gekracht ist. So einen Ort braucht der Mensch, gerade jetzt. Das mit Knut war ein harter Schlag, nach all den Revolutionen, Erdbeben und Atomkatastrophen.

Die Fleischindustrie ist gut durch die Vegetarismus-Krise gekommen

Deshalb jetzt mal eine gute Nachricht: Die Fleischindustrie hat die Vegetarierdebatte im vergangenen Winter gut überstanden. Sie erinnern sich? Die deutsche Schriftstellerin Karen Duwe und der amerikanische Autor Jonathan Safran Foer hatten Bücher geschrieben, in denen sie fragen, ob es nicht falsch ist, Tiere zu töten, nur des Genusses wegen. Wochenlang ging das rauf und runter in den Medien, gereicht wurden dazu meist Bilder von leblosen oder noch zuckenden Schweinekörpern auf dem Fließband Richtung Abbrühbecken. Doch es scheint so ähnlich gelaufen zu sein, wie mit den Medien und Karl-Theodor zu Guttenberg: Während er unter Presseleuten immer unbeliebter wurde, stiegen seine Umfragewerte. Während Duwe und Foer vor voll besetzten Häusern über die Vorzüge der Gemüsekost lasen, wurde Tausenden von Kühen und Schweinen der Garaus gemacht – für die Currywurst danach. 2010 waren es insgesamt 3,8 Millionen Rinder (minus 0,2 Prozent im Vergleich zu 2009) und 58 Millionen Schweine (plus 3,6 Prozent im Vergleich zu 2009). Eine solide Bilanz.

Was haben Knopfaugen und Schnitzel gemeinsam?

Dafür, warum die Vegetarier-Debatte nicht ins Vegetarier-Sein mündete, gibt es eine einfache Erklärung. Wir schaffen es einfach nicht, die logische Verbindung zwischen den süßen Knopfaugen und dem leckeren Schnitzel herzustellen. Die Folge ist eine ausgeprägte Schizophrenie im Umgang mit Tieren. Wir sind nicht bereit, fünf Euro für 100 Gramm Rinderfilet zu zahlen, aber geben bereitwillig 3.500 Euro für Fiffis künstliches Hüftgelenk aus. Wir schreddern in der Legehennenproduktion Millionen männlicher Küken, regen uns aber auf, wenn Singvögel in den Rotoren von Windrädern zu Tode kommen. Wir fragen im Feinkostladen nicht nach dem Pferdefleischanteil in der italienischen Salami, gehen aber gegen das „Branding“ auf die Barrikaden, also gegen das Markieren von Zuchtpferden mit glühenden Eisen. Wir geben Tieren Namen und bringen sie um. Wir machen sie zu Menschen und Objekten gleichzeitig.

Die Frage, ob man Fleisch essen darf oder nicht, kam einfach zu früh. Erst müssen wir es schaffen, Tiere wie Tiere zu behandeln: artgerecht, so ähnlich, wie sie leben würden, wenn es uns nicht gäbe.

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