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Kommt die Rezession?: Gestrüpp muss weg

Die große Koalition kassierte bislang die Lorbeeren der rot-grünen Bundesregierung. Nun sind die Politiker an der Macht gefordert, eigene Antworten auf die drängenden Probleme vorzulegen. Der Weg zur Bundestagswahl 2009 wird alles andere als gemütlich.

Von Lutz Haverkamp

Die schlechten Nachrichten hören gar nicht auf. Die US-amerikanische Wirtschaft erlahmt, die Finanzmärkte weltweit finden keine Ruhe, die Hypothekenkrise geht unvermindert weiter. Auch in Deutschland sind die Aussichten vieler Unternehmer düster. Einige haben schon Stellen gestrichen, andere wollen das noch tun. Die Menschen haben wieder mehr Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren – sie geben zu wenig Geld für den Konsum aus. Konjunkturexperten machen nur geringe Hoffnung auf Besserung. Das Credo der Bundeskanzlerin „Der Aufschwung muss auch bei den Menschen ankommen“ hat sowieso kaum einer geglaubt.

Deutschland und die Welt vor einer wirtschaftlichen Talfahrt? Neue Rekorde bei Massenarbeitslosigkeit und Firmenpleiten? Niemand kann das mit Sicherheit sagen, nicht einmal die Wirtschaftsweisen. Die lagen in der Vergangenheit oft genug drastisch daneben. Aber das ist ganz sicher: Exportweltmeister Deutschland wird die globalen Rahmenbedingungen für seinem wirtschaftlichen Erfolg im Ausland nicht verändern können. Ob Boomstaaten wie China und Indien weiter „Made in Germany“ kaufen oder der Ölpreis weiter steigt, liegt nicht im Gestaltungsbereich eines Wirtschaftsministers aus der CSU, eines Finanzministers aus der SPD oder einer Kanzlerin mit CDU-Parteibuch.

Und dennoch: Bei einer ins Stocken geratenden Weltwirtschaft ist es umso wichtiger, dass Deutschland die Faktoren, die es beeinflussen kann, an die neuen Herausforderungen bestmöglich anpasst. In den ersten drei Jahren Regierungszeit der großen Koalition ist das sträflich vernachlässigt worden. Das derzeit amtierende Regierungsbündnis schmückt sich hauptsächlich mit Lorbeeren, die andere erarbeitet haben. Auf der einen Seite war es die kräftige Weltkonjunktur, die es deutschen Unternehmen ermöglichte, weltweit ihre Produkte zu verkaufen, Geld zu verdienen und damit neue Arbeitsplätze daheim zu schaffen. Auf der anderen Seite war es die Agenda 2010 der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder, die Flexibilisierung auf dem nationalen Arbeitsmarkt förderte und verkrustete Strukturen aufbrach.

Die große Koalition hat diesen Kurs bisher nicht entschieden genug fortgesetzt. Trotz enorm gestiegener Steuereinnahmen gelingt es frühestens 2011, den Bundeshaushalt ohne neue Schulden aufzustellen. Das ist zu spät. Trotz besserer Konzepte und Ideen hält die Koalition an der Einführung eines Gesundheitsfonds fest. Den aber will inzwischen niemand mehr. Als bürokratisches Monster behindert er den Wettbewerb im Gesundheitssektor weiter, setzt falsche Anreize, lässt die Lohnnebenkosten steigen und gefährdet damit weitere Arbeitsplätze. Ein ernsthafter Versuch, das Gestrüpp aus Steuervorschriften, Bürokratie und Subventionswirrwarr zu lichten, ist nicht festzustellen. Die Debatte um Abschaffung und Wiedereinführung der Pendlerpauschale – teilweise von denselben Politikern gefordert – legt ein bedrückendes Zeugnis dafür ab.

Ob der wirtschaftliche Niedergang kommt und wie stark er sein wird, ist bei alledem noch nicht ausgemacht. Sicher ist, dass nach der Sommerpause der Wahlkampf auf Hochtouren laufen wird. Bis zum Herbst 2009 stehen neben der Bundestagswahl noch fünf Landtagswahlen, acht Kommunalwahlen, eine Europawahl und die Wahl des Bundespräsidenten an. Das sollte die Politik zwingen, den Menschen zu sagen, was sie will. Die Lorbeeren der Schröder’schen Agenda 2010 und der unverschuldeten Erfolge durch die boomende Weltkonjunktur der vergangenen Jahre sind dann lange verwelkt. Die jetzt noch verhüllten Versäumnisse der großen Koalition werden dann offen zutage treten – und die Wähler werden Antworten auf die neuen wie alten Herausforderungen verlangen.

Das ist eine große Chance für die Politiker. Aber sie verlangt von ihnen Ehrlichkeit, Ideen, Entscheidungsfreudigkeit und Stehvermögen. Nicht, um die ganze Welt zu bessern. Sondern um im eigenen Land mit den Widrigkeiten der Welt besser fertig zu werden.

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