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KONTRA Punkt: Von Jan Ullrich bis Igor de Camargo

Mit Betrug zum Sieg – das zahlt sich nicht aus.

Was verbindet den Ex-Radprofi Jan Ullrich mit Gladbachs Stürmer Igor de Camargo? Beide sind Sportbetrüger, und beide hatten gerade einen großen Auftritt. Ullrich, als er eine zynisch wirkende Werbekampagne präsentierte – Motto: „Doping für die Haare“ –, de Camargo, als er sich beim Pokalspiel in Berlin als Opfer einer Kopfnuss gerierte, die er selbst seinem Gegenspieler Roman Hubnik verpasst hatte. Beide schaffen es nicht, das zu tun, was gerade auch vom Bundespräsidenten verlangt wird: Aufklärung leisten und um Entschuldigung bitten.

Zu viel verlangt? Naiv? Manche sagen, wer hier nach Fairness ruft, verkenne eben, dass es sich bei dieser Art von Sport um ein Geschäft handelt, und ein Sportler, der das missachtet, betreibe geschäftsschädigendes Verhalten. Doch das ist ein gedanklicher Kurzschluss. Einen Tag nach Ullrichs haarsträubendem Auftritt sprach ihn der Internationale Sportgerichtshof schuldig, er darf jetzt Dopingsünder genannt werden – der Werbeträger wird zur Witzfigur. Aber er verweigert sich der Wahrheit bis heute. Er hätte den Radsport retten können – und sich selbst.

Und was wäre geschehen, wenn Gladbachs Kapitän Filip Daems den durch Betrug zugesprochenen Elfmeter nicht geschossen, sondern darauf verzichtet hätte? Borussia Mönchengladbach wäre mit einem nicht erzielten Tor Meister und Pokalsieger der Herzen geworden, und sage niemand, dass man sich dafür nichts kaufen kann. Vermarkten lassen sich nicht nur Trophäensammler, sondern auch Sympathieträger – wie sonst wäre es zu erklären, dass ein Verein wie Schalke, Meister zum letzten Mal 1958, überall Fans und Mitglieder hat, die ihre letzten Euro für Trikots und Karten geben.

Doch hat auch Schalke seine schwarzen Momente, besonders krass im Frühling 1998, beim Heimspiel gegen den 1. FC Köln. Null zu null stand es kurz vor Schluss, als der damalige Kölner René Tretschok einen Abpraller volley aufs Schalker Tor schoss. Der FC wäre vor dem Abstieg gerettet gewesen – doch kurz vor der Linie sprang der Schalker Verteidiger Oliver Held hoch und lenkte den Ball mit seiner linken Hand über die Latte, und Schiedsrichter Uwe Kemmling gibt Ecke, keinen Elfmeter. So etwas kann vorkommen. Zum Betrug wurde die Sache erst danach. Wegen der Proteste der Kölner befragte Kemmling den Spieler Held, appellierte an dessen Ehrlichkeit. Aber Held schwor laut Kemmling: Hand war nicht im Spiel. Nicht die Hand Gottes, wie einst bei Maradona, und schon gar nicht die eines Helden, sondern: die eines Betrügers.

Betrügerisch benahm sich im Dezember 2005 auch der damalige Duisburger Trainer Norbert Meier, der mit dem Kölner Spieler Albert Streit in ein ähnliches Tête-à-Tête wie jetzt Hubnik und de Camargo geriet. Meier köpfte als Erster – und fiel als vermeintlich getroffen nach hinten um, Streit bekam die Rote Karte.

In beiden Fällen, Held wie Meier, wurden die schauspielernden Lügner und lügenden Schauspieler später bestraft. Gegen Meier wurde zunächst ein Berufsverbot ausgesprochen, später auf eine Sperre von drei Monaten reduziert. Und auch Held wurde gesperrt, für zwei Spiele. Das war etwas weniger als das, was Toni Polster forderte: „Dafür soll er sein ganzes Leben kein Glück mehr haben.“ Doch bleibt der Name Oliver Held nicht mit großem Sport im Gedächtnis und in den Archiven, sondern mit Betrug, und auch wenn Meier mit Fortuna Düsseldorf aufsteigen sollte, wird er seine Kopfnuss nicht mehr los.

So wird es auch Jan Ullrich ergehen. Und Mönchengladbach? Der Verein hat zwar das Halbfinale des Pokals erreicht, aber eine große Chance verspielt. Berauschend und erfolgreich haben die Borussen zuletzt gespielt, und auch wenn sie nicht Meister oder Pokalsieger werden, hätten sie viele neue Freunde gewonnen. Aber sympathisch? Es war eben doch nur ein schöner Schein.

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