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KONTRA Punkt: Wenn rechte Rocker den Koran lesen ...

... flippt manch ein Innenminister in Deutschland aus.

Die Rocker sind die neuen Salafisten. Ihr Koran ist ihre Kutte, ihr Gebet das Auspuffdröhnen, ihre Moschee die Straße, und so haben sie es geschafft, die Radikalmuslime für ein paar Nachrichtenintervalle am Staatsfeind-Spitzenplatz abzulösen, den vor ihnen verlässlich die Rechtsextremen innehatten. Allah ist groß, aber ihr Hubraum, der ist noch größer. Und bei beiden Gruppierungen ist man verunsichert. Sind sie ein Fall für den Staatsanwalt? Oder sind sie schon eine echte Bedrohung für das Gemeinwesen, ein Politikum?

Als Scharfmacher tut sich der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann hervor. Der CDU-Politiker traf sich am Donnerstag mit seinen Länder-Amtskollegen, man beriet, wie man des Rowdytums Herr werden könnte, in den Moscheen, auf den Straßen und sogar in Fußballstadien, denn auch der gemeine Fußballfreund ist wieder verdächtig.

Aus den meisten dieser Zutaten möchte Schünemann eine Art Anti-Extremisteneintopf kochen lassen, und den Löffel schwingen sollen die Beamten in einem gemeinsamen Abwehrzentrum. Selten sollten so viele unterschiedliche Problemlagen zu einer Brühe verrührt werden, und es würde wohl nicht lange dauern, bis auch Rocker und Rowdys die Mischung würzten. Dazu passt Schünemanns Idee, für Salafisten die Grundrechtsverwirkung zu beantragen. Und natürlich fordert er ein bundesweites Rocker-Verbot.

Wir haben verstanden: Die Politik tut alles, wirklich alles für unsere Sicherheit. Sie verbietet, was nicht bestraft werden kann. Und was nicht verboten werden kann, verwirkt seine Rechte.

Die Grenze zwischen Aktion und Aktionismus wird dabei aufgehoben. Natürlich wollen wir keine Rocker, die dealen und schießen, und wir wollen keine Salafisten, die mit Messern stechen. Wir wollen aber auch keine Politiker, die so tun, als könnten sie dies alles wirksam bekämpfen. Sie vermitteln Sicherheit, die keine ist.

Wie sich Kriminalität in Managementetagen vernetzt, so vernetzt sie sich auch in Rockerklubs. Im Fall der Hells Angels dürfte es zu größeren Überschneidungen kommen, trotzdem steht die Aufklärung von Taten und Schuldigen vor allem anderen. Regionale Verbote lassen sich begründen, weil die Verbrechen dem Verein zurechenbar sind. Auf Bundesebene wird das schwieriger. Vor dem Kieler Landgericht belastet derzeit ein Aussteiger den hannoverschen Klubpräsidenten Frank Hanebuth, einen Mann, dem sein Anwalt und guter Kumpel, der Gerhard-Schröder-Freund Götz von Fromberg, nachsagt, er sei „intelligent, kommt aus gutem Hause und kann sich prima benehmen“. Dem Herrn Präsidenten mal etwas nachzuweisen, wäre wohl wichtiger, als es alle Verbote sind. Ein bundesweiter Schlag gegen den Klub würde zudem ihre Konkurrenten stärken. Rockerkriege sind nicht schön, ein Rocker-Rotlichtmilieumonopol ist es noch viel weniger.

Das Haudrauf-Prinzip hat einen Nachteil, wenn man danebenhaut, dann tut es weh. Solche Schmerzen scheuen die Schünemänner nicht, sonst würden sie auf Grundrechtsverwirkung für Salafisten verzichten. Das ist in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie geglückt, und man möchte auch nicht miterleben, wie ein christliche Lehren seit jeher hochhaltendes Bundesverfassungsgericht Korangläubigen das Predigen untersagt – wenn es dies überhaupt täte, da die Religionsfreiheit ein Grundrecht ist, das ausdrücklich nicht verwirkt werden kann.

Weder gewalttätige Salafisten noch kriminelle Rocker sind Spatzen, aber sie sind auch kein Gegner, der Kanonen verdient. Früher rief man nach dem Staatsanwalt, heute ruft man immer gleich nach der Politik. Das entwertet die Justiz und befrachtet Politiker mit Ansprüchen, die sie nicht einlösen können. Ermittler sollen ermitteln, mit allem, was ihnen rechtsstaatlich zu Gebote steht. Wir erwarten keine Wunder, aber Enttäuschungen sollten wir vermeiden.

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