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Statue vor dem Parthenon an der Akropolis in Athen.

© dapd

Kontrapunkt: Griechenland: Kaputtsparen ist keine Lösung

Das von einer Staatspleite bedrohte Griechenland kommt von seinem Schuldenberg nicht herunter. Die bisherige Hilfe war keine und hat die Situation eher verschärft. Es muss dringend umgedacht werden.

Argentinien hat es 2002 getan, Russland 1998 – und auch Griechenland tat es schon: „Wir sind leider bankrott“ verkündete 1893 der Ministerpräsident Trikoupis. Es war bereits die zweite Pleite des neugriechischen Staates. Man versuchte Griechenland einer internationalen Wirtschaftskommission zu unterstellen um den Schuldendienst zu kontrollieren. Doch die Griechen wehrten sich.

„Die schockierten internationalen Gläubiger mussten damals erkennen, dass sie keinerlei Handhabe gegen den säumigen Schuldner besaßen.“, schreibt die Historikerin Korinna Schönhärl in der FAZ. Erst als Griechenland 1897 in einen erneuten Krieg mit dem Osmanischen Reich unterlag bekamen die Gläubiger demnach ein Druckmittel in die Hand: Neue Kredite sollten nur bei Tilgung der alten Schulden gewährt werden.  

Auch heute versuchen die Gläubiger mit aller Macht zu verhindern, dass die Schulden (teilweise) abgeschrieben werden. Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU) hat es in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ zugegeben: Der derzeit diskutierte teilweise Verzicht der privaten Gläubiger Griechenlands würde einen „Riesenvermögensverlust“ für die Anteilseigner der Banken in Deutschland bedeuten. Mit dem Festhalten an den Hilfen für das Mittelmeerland kümmere sich die Bundesregierung auch um die Stabilität des deutschen Finanzwesens und verhindere Milliardenverluste der hiesigen Banken. Insgesamt belaufen sich die griechischen Verbindlichkeiten in Deutschland laut Kampeter auf rund 30 Milliarden Euro.

Die Europäische Zentralbank (EZB) will von einer Umschuldung für Griechenland ebenfalls nichts wissen. Sie ist mittlerweile der größte Gläubiger Athens und zu einer Art Bad Bank für Staatsanleihen geworden. Vor allem französische Banken verkauften ihre Griechenland-Anleihen an die EZB. Mehr als 70 Milliarden Euro an Staatsanleihen der notleidenden Euro-Länder soll die EZB inzwischen halten. Unter einem Schuldenschnitt würde sie deshalb selber leiden – und somit auch Deutschland, dass mit 27 Prozent an der EZB beteiligt ist.

Doch der derzeitige Weg über weitere Hilfsgelder bei gleichzeitig geforderten „Strukturanpassungen“ ist wenig erfolgversprechend. Im Gegenteil: Wie in Südamerika und Afrika in den achtziger Jahren oder Asien Ende der neunziger Jahre wird die Finanz- und Schuldenkrise dazu benutzt, radikale marktwirtschaftliche Maßnahmen einzufordern. Privatisierung, Deregulierung und tiefe Einschnitte in die Sozialausgaben – das sind typische Kreditkonditionen des Internationalen Währungsfonds, die nun auch Griechenland abverlangt werden. Bei allen Auswüchsen die es im griechischen Staatsapparat gibt und die es abzustellen gilt: Es kann nicht angehen, dass erneut ausschließlich die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen für die Krisenkosten aufkommen, ob in Griechenland oder in Deutschland.

Sozialstaaten werden durch Rettungspakete nicht gerettet. Im Gegenteil: Einkommenskürzungen und Privatisierung beschneiden gesellschaftliche Möglichkeiten und führen mitunter – wie jetzt im Fall von Griechenland – zu einer Verschlimmerung der Situation. Weniger Lohn, wenigere Arbeit, weniger Wachstum. Kaputtsparen ist keine Lösung. Die Griechen haben jedes Recht auf die Straße zu gehen, wenn Wirtschaftstechnokraten auf diese Weise in ihr Leben eingreifen.

Und hierzulande sollte man nicht mit dem Finger auf die Helenen zeigen und einen angeblich ausgeuferten Lebensstil anprangern. Deutschland hat durch exzessive Lohnzurückhaltung maßgeblich zu den außenwirtschaftlichen Ungleichgewichten innerhalb der Europäischen Union beigetragen. Die Exportüberschüsse auf unserer Seite sind die zunehmende Auslandsverschuldung der anderen. Es ist zudem wohlfeil die Macht einiger griechischer Gewerkschaften zu geißeln. Vielmehr wäre mehr Macht für die deutschen Gewerkschaften wünschenswert, damit die stagnierenden Löhne erhöht und der ein oder andere Griechenlandurlaub mehr ermöglicht würde.

Eine Umschuldung für Griechenland scheint unumgänglich. Und es wäre gerecht, Gläubiger mit haften zu lassen, zumal auch die griechische Staatsverschuldung zu einem nicht unerheblich Teil auf vorangegangene Bankenrettungen zurückzuführen ist. Die Folgen einer Umschuldung werden schmerzhaft sein. Umso wichtiger sind Maßnahmen der Gegenfinanzierung: die Einführung einer europäischen Reichensteuer und einer Finanzmarkttransaktionssteuer. Gemeinsame europäische Staatsanleihen, sogenannte Eurobonds, könnten bei der Verteilung der Krisenlasten helfen und eine solidarische europäische Wirtschaftspolitik ist notwendiger als je zuvor. Ein Rückfall in Nationalstaatlichkeit ist dagegen keine Lösung.

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