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Großbritannien: Kurz vor Saisonende

Der britische Premier Gordon Brown ist in der Krise – und die Konservativen holen auf. Die Lage bei Labour ist mit der bei den Konservativen in den 90ern vergleichbar – kurz vor deren Zusammenbruch.

Von Markus Hesselmann

Für die Reise wurde extra eine Internetseite geschaltet: „usvisit.pm.gov.uk“. Dort können die Briten jeden Schritt ihres Premierministers bei dessen Besuch in den USA verfolgen. Auf einer transatlantischen Satellitenaufnahme sind London und die Stationen Gordon Browns mit Fähnchen abgesteckt. „Der Premier landet in Washington“, ist dort zum Beispiel zu lesen, „bei Sonnenschein und klarem blauen Himmel.“

Gute Nachrichten, und sei es das Wetter, kann Brown gebrauchen. Dem Vereinigten Königreich droht eine Rezession. Immer wieder gibt es peinliche Pannen mit verschlampten Computerdaten oder dem Chaos am Flughafen Heathrow. Die Labour-Partei streitet über die Sicherheitspolitik und stellt Browns Pläne einer Verlängerung der Untersuchungshaft bei Terrorverdacht infrage. Die Sympathiewerte des Premiers schlagen alle Negativrekorde.

Und selbst das mit Amerika ging erst einmal daneben. „USA bereiten Weltführer rauschende Begrüßung“, schrieb der „Guardian“. „Und der Premier ist auch da.“ Alle machen sich über Brown lustig, diesmal über schlechte Planung, durch die sich seine US-Reise mit dem großen Auftritt Papst Benedikts XVI. überschnitt.

Trotzdem hofft Brown, in den USA zu punkten. Er genießt das Privileg, alle drei Präsidentschaftsanwärter, Hillary Clinton, Barack Obama und John McCain, zu treffen. Schaut her, die „special relationship“ wird den ungeliebten George W. Bush überdauern, ist die Botschaft. Großbritannien kann weiter auf Amerika bauen. Seine Wähler daheim wird dies kaum nachhaltig beeindrucken. Denn sie haben genug zu schaffen mit den Folgen einer Kreditkrise, die in den USA begann. Und sich stärker auswirkt in einem Land, das vom Finanz- und Immobilienmarkt abhängig ist wie kein anderes in Europa.

Die Lage bei Labour ist mit der bei den Konservativen in den 90ern vergleichbar – kurz vor deren Zusammenbruch. Browns Hoffnung gründet sich darauf, dass die Tories sich zwar von ihrer Existenzkrise erholt, aber längst nicht die Stärke und Stabilität erreicht haben, die Labour zum Ende der Regierungszeit John Majors hatte. Und dass Browns Herausforderer David Cameron nicht die Aura des Hoffnungsträgers umstrahlt wie einst den jungen Tony Blair.

Parallelen zwischen Politik und Fußball werden oft vorschnell gezogen. Doch der Vergleich zwischen Gordon Brown und Avram Grant drängt sich auf: Britanniens Premier und der Trainer des FC Chelsea ähneln einander. Beide kamen spät ganz nach oben. Beiden wurde das Amt nicht wirklich zugetraut. Beide haben glamouröse Vorgänger – Tony Blair und Jose Mourinho –, wirken aber selbst farblos. Wenn bei Grants Team ein Gegentor fällt, singen die Zuschauer: „Du weißt nicht, was du tust.“ Wenn Browns Umfragewerte fallen, schreiben die Zeitungen über innerparteiliche Nachfolgedebatten. Einen Vorteil hat der Premier aber gegenüber dem Trainer. Grant muss die Wende bis zum Saisonende in einem Monat schaffen. Brown bleiben zwei Jahre, bis er eine Wahl ausrufen muss.

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