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Landtagswahl in Hessen: Rechts, wo kein Herz mehr schlägt

Roland Koch wurde ausgebremst - von den Wählern zurückgepfiffen. Die polarisierende Debatte zum Thema Jugendkriminalität erweist sich als Fehlgriff. Ist die Zeit der Volkspartei CDU abgelaufen?

Er war der letzte seiner Art, kantig, markig, konservativ. Und er hat, zum Entsetzen einer liberalen Medienöffentlichkeit, einen ebensolchen Wahlkampf geführt, kantig, markig, konservativ. Dafür wurde Roland Koch bestraft, bitter bestraft. Nicht weil Andrea Ypsilanti besonders sympathisch oder kompetent wäre, legte die SPD in Hessen zu, sondern weil Koch polarisierte, rutschte die CDU dramatisch ab.Was nun aus ihm wird, ist einerlei (womöglich bleibt er sogar im Amt, das steht zur Stunde nicht fest). Wichtig aber ist: Die durch Koch für die CDU verlorene Wahl in Hessen besiegelt das Ende einer konservativen Volkspartei in Deutschland. Denn dies Beispiel darf, solchen Schluss werden seine Parteigenossen ziehen, nie wieder Schule machen.

Angela Merkels Mitte dagegen triumphiert, jenes kuschelige, korrekt-pragmatische, wert- und prinzipienneutrale Herumgewurschtel. Nicht der Linksruck der Bundes-SPD wurde in Hessen also verstärkt (obwohl auch), sondern der Mitte-Ruck der Bundes-Union. Die Zeit der Dreggers, Schönbohms und Kochs ist endgültig vorbei, das Bedürfnis nach konservativem Klartext bleibt künftig unbefriedigt.

Was soll Helga Mustermann jetzt tun? Wo findet sie noch eine politische Heimat? Helga Mustermann ist fiktiv, aber als Typus höchst real. Sie war stets für die deutsche Einheit, mag die Kommunisten nicht, findet es verwerflich, mit ihnen und deren Nachfolgern zu paktieren (oder sich dulden zu lassen). Werte wie Anstand, Respekt, Pünktlichkeit und Fleiß hält sie nicht für Sekundärtugenden, über die man spotten darf. Sie glaubt an Gott, empfindet moralische Skrupel bei der Abtreibung und der embryonalen Stammzellenforschung. Den Begriff „Herdprämie“ hält sie für zynisch. Sie meint, dass der Staat sich nicht uferlos verschulden, aber die Bürger auch nicht hemmungslos schröpfen sollte. Die Subventionsmentalität verachtet sie, besonders in der Kultur. Theaterintendanten, die mit Steuermitteln nur Nacktes und Obszönes auf die Bühne bringen, empfindet sie als arrogant. Über privates Schundfernsehen kann sie sich ebenso empören wie über gewalttätige Jugendliche, die es schick finden, ab und zu im Knast zu landen.

Doch wer in der Politik spricht noch Helga Mustermanns Sprache? Wer versteht sie und teilt ihre Welt? Keiner. Und nach der Hessen-Wahl erst recht nicht. Koch war der letzte von Format in der Union, der sich gelegentlich traute. Nach ihm kommt niemand Namhaftes mehr. Den fortschrittlichen deutschen Studienrat mag das freuen. Aber für die bundesdeutsche Demokratie könnte es problematisch werden.

Absplitterungen nach links kennen wir reichlich. Absplitterungen nach rechts, wie es sie in vielen anderen europäischen Ländern gibt, waren in Deutschland nur deshalb nie erfolgreich, weil das Kantig-Markig-Konservative in der Union repräsentiert und von ihr abgedeckt wurde. Koch selbst braucht niemand, sollte er denn gehen, eine Träne nachzuweinen. Mit Wehmut indes erinnern wir uns an eine CDU, die die rechts-konservativen Kräfte in diesem Land einzubinden verstand. Diese Ära ist vorbei.

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