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Lesermeinung zu Berliner Verkehrsbetrieben (BVG): Fragwürdige Jagd auf Schwarzfahrer

Die BVG schießt bei der Ermittlung von Schwarzfahrern über das Ziel hinaus. Stattdessen sollte das System des öffentlichen Nahverkehrs grundlegend verändert werden, meint unsere Leserin Manuela Semmler.

Der Budesrat hat das Bußgeld für Schwarzfahrer von 40 auf 60 Euro angehoben.
Der Bundesrat hat das Bußgeld für Schwarzfahrer von 40 auf 60 Euro angehoben.

© dpa

Was die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) derzeit veranstalten, um Schwarzfahrern auf die Schliche zu kommen, mag vielleicht rechtlich zulässig sein, ist aber mit gesunden Menschenverstand nicht mehr nachzuvollziehen. Vielmehr schäme ich mich (fremd) für das Vorgehen der BVG - auf deren Jagd nach Passagieren ohne gültigem Fahrausweis.                                     

Als regelmäßige Mitfahrerin der Buslinie M29, unterwegs mit Monatsabonnement, erlebe ich die fragwürdigen Methoden fast jeden Tag: Wie aus dem Nichts springen Männer und Frauen von ihren Sitzplätzen auf, meistens zu dritt und als Passagiere getarnt, um dann ihre Berechtigungskärtchen herauszuholen und die Fahrgäste von allen Türrichtungen aus einzukreisen. In ihren Aufforderungen, die Fahrausweise vorzuzeigen, schwingt die hörbare Hoffnung mit, endlich einem Schwarzfahrer das Handwerk legen zu können. Einen zusätzlich bitteren Beigeschmack erhielt diese Vorgehensweise, als ich letztens Zeugin davon wurde, wie ein Kontrolleur auf der Fahndung erfolgreich war: Seine Anweisung an den Betrüger, ihn zur Datenaufnahme aus dem Bus zu begleiten, legitimierte er lautstark mit dem Grundsatz, alle gleich behandeln zu müssen. Daraufhin gab sich der Schwarzfahrer als ein alter Bekannter des Kontrolleurs zu erkennen (so wurde ich gleichzeitig Zeugin wahrer Wiedersehensfreude) und der Gleichheitsgrundsatz war schnell vergessen.

Vollständig irritiert über das, was die BVG bereit ist, auf die Beine zu stellen, um in Berlin für „Recht und  Ordnung“ zu sorgen, war ich schließlich vergangene Woche. So konnte ich an der Haltestelle Checkpoint Charlie/Kochstraße fast nicht zur Bustür heraustreten, weil mich an dieser eine Heerschar von BVG-Mitarbeitern abfing, um meinen Fahrausweis zu kontrollieren - Polizeibeamte warteten auf dem Bürgersteig im Hintergrund. Wie ich hörte, erfolgte diese Art der Kontrolle auch in S- und U-Bahnen der Stadt.

Ich bin nicht sicher, was mich an dem rigorosen Vorgehen mehr stört: Dass ich mich stets unter Generalverdacht fühle, die Berliner Verkehrsbetriebe betrügen zu wollen; die intransparente Kontrollsituation in einem öffentlichen Verkehrsmittel (ich fühle Unbehagen, wenn sich Personen „Inkognito“ um mich herum  bewegen  -  vielleicht liegt es daran, dass ich in der DDR mit ebenfalls undurchsichtigen Organen aufgewachsen bin) oder, dass ich mir für eine Weltstadt wie Berlin ein Transportwesen wünsche, in dem sich auch Touristen willkommen fühlen und nicht zusammenzucken müssen, weil sie die strengen Anweisungen deutscher Fahrkartenkontrolleure nicht verstanden haben und vor aller Augen aus dem Wagen delegiert werden.

Warum also drehen wir das Prinzip nicht einfach um? Öffentliche Verkehrsmittel sind nur für diejenigen zugänglich, die einen gültigen Fahrausweis besitzen. Dafür bräuchte es jedoch Busfahrer, die eine Überprüfung beim Einstieg ernst nehmen sowie Schrankensysteme in U- und S-Bahnen, die nur Einlass auf Bahnsteige mit gekauftem Fahrschein gewähren. Es gibt genügend Länder, die zeigen, wie es geht. Natürlich kostet das Umrüsten Geld – aber nicht nur die Berliner Verkehrsbetriebe würden immateriell viel dazugewinnen.

Manuela Semmler

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