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Meinung: Li hier und Xi dort

Der Chinapolitik des Westens fehlt eine langfristige und konsequente Strategie.

Alle werben um die Gunst der mutmaßlichen Herren von morgen. Vor zwei Wochen wurde Chinas neuer Premier Li Kequiang mit allen Ehren in Berlin hofiert. Nun reiste Präsident Obama seinem Kollegen Xi Jinping tausende Kilometer entgegen, um ihn in möglichst lockerer Atmosphäre in Kalifornien zu treffen. Ihr Gipfel erinnert ein wenig an Kohl und Gorbatschow im Kaukasus. Auch sie wollten eine Ära der Konfrontation hinter sich lassen und eine neue Partnerschaft begründen. Der chinesische Traum gleiche dem amerikanischen Traum, gab Xi als Losung aus. Obama sagte, er begrüße Chinas friedlichen Aufstieg zu einer Weltmacht.

Xi und Li gelten als Pragmatiker, denen ökonomischer Erfolg wichtiger ist als die Ideologie. Die USA haben darauf gesetzt, dass sie den künftigen Kurs in Peking bestimmen. Da wirkt es wie Ironie am Rande, dass ausgerechnet jetzt Obamas Nationaler Sicherheitsberater Tom Donilon abtritt, der für Chinas Aufwertung in Amerikas Geostrategie stand und das Treffen mit Xi vorbereitet hat. Künftig werden Susan Rice und Samantha Power den Ton im Sicherheitsteam angeben. Ihre prägende Erfahrung war die Passivität der USA in Afrika und Europa, etwa während der Genozide in Ruanda und Bosnien.

Generell fehlt der Chinapolitik des Westens eine langfristige und konsequente Strategie. Immer wieder gibt es Appelle, die USA und Europa sollten sich besser absprechen, damit Peking sie nicht gegeneinander ausspielt. In der Praxis betreibt jeder seine eigene Chinapolitik, nach unterschiedlichen Prioritäten. Die deutsche ist mehr Außenhandels- als Außenpolitik. Sie ist durchaus erfolgreich und hat es der Exportindustrie erlaubt, ohne große Einbrüche durch die Finanzkrise zu kommen. Rückschläge anderswo konnte sie durch den Ausbau des Chinageschäfts kompensieren. Im Streit um Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen haben China und Deutschland als Exportnationen mit hohen Überschüssen zudem ähnliche Interessen.

Die US-Politik richtet sich nach geostrategischen Zielen. Chinas Aufstieg gilt nicht als unausweichlich. Die inneren Spannungen, die sich aus dem Stadt-Land- Gegensatz sowie ethnischen und religiösen Konflikten ergeben, treten offener zutage und bremsen die Dynamik. Amerika will Peking stärker in die Verantwortung nehmen, um die Verbreitung von Atomwaffen zu verhindern (Iran, Nordkorea) und Diktatoren zu stoppen, die ihre Macht blutig verteidigen (Libyen, Syrien). Allen netten Worten zum Trotz sehen sie in China nicht nur einen potenziellen Partner, sondern auch einen Rivalen und nehmen Schutzbitten der Länder ernst, die sich durch Chinas Aufstieg bedroht sehen: neben Japan, Korea, Australien auch Vietnam, obwohl der Krieg gegen die USA erst 40 Jahre zurückliegt. Wenn Chinesen sich in US-Firmen von strategischer Bedeutung einkaufen wollen (Hafenbetreiber, Energiekonzerne), siegt oft das Misstrauen und folgen Verbote.

China wird seinen Aufstieg fortsetzen, freilich gebremster als bisher. Höchste Zeit, dass Amerika und Europa sich um eine gemeinsame Strategie bemühen, statt getrennt um Peking zu buhlen.

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