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Französisch. Pascale Hugues spricht ganz gut Deutsch, schreibt aber doch lieber in ihrer Muttersprache.

© Thilo Rückeis

Mon Berlin: Lieblingswort: Donnerwetter!

Es ist das deutsche Lieblingswort unserer Kolumnistin, sie hat es von ihrer elsässischen Großmutter gelernt: Donnerwetter! Im Französischen gibt es nur blasse Übersetzungen. Und sagen Sie bloß nie "Mein lieber Scholli".

Ganz oben auf den Stapel meiner deutschen Lieblingswörter lege ich, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern: Donnerwetter!

Donnerwetter! ist eher eine Detonation als ein Ausruf. Ein Wort wie ein beidseitig tragbarer Anorak. Rückseite: Bestürzung, Wut, Zorn. Vorderseite: Bewunderung, Begeisterung, Ekstase. Wie zwei derart gegensätzliche Emotionen in einem einzigen Wort vereint werden – das ist bereits die erste Heldentat von Donnerwetter!

Für mich ist Donnerwetter! eine Kindheitserinnerung. Zweifellos ist das der Grund, warum ich es so liebe. Ihr ganzes Leben lang gab meine deutsche Großmutter sich im wieder französisch gewordenen Elsass große Mühe, ihre Wurzeln als Boche zu vergraben, doch wenn sie staunte, rutschte ihr oft dieser Ausdruck heraus. Die Bedeutung dieses fremden Wortes kannte ich nicht. Aber ich spürte ganz genau die darin steckenden Gefühle. Donnerwetter! glitt ganz natürlich über die Lippen meiner Großmutter. Ohne sich dessen bewusst zu sein, fiel sie in die Sprache ihrer Kindheit zurück. Donnerwetter! befreite sich aus der tief vergrabenen schwarzen Kiste, in der sie ihre deutsche Identität sorgsam versteckt hatte.

Meine Großmutter konnte nichts dagegen tun. Donnerwetter! war stärker als sie. So wie ich selbst nach vielen Jahren des Berliner Exils noch ein durchdringendes merde! ausstoße, wenn mir ein Glas aus der Hand rutscht und auf dem gefliesten Küchenboden zerschellt. In der Muttersprache zu fluchen ist die einzig wahre Erleichterung. Der letzte Zipfel der linguistischen Nicht-Anpassung. Donnerwetter! und merde! sind nicht kleinzukriegen.

Für das großartige Donnerwetter! bietet die französische Sprache nur blasse Übersetzungen an. Ich würde Ihnen gern das platte Oh, putain! ersparen, das dem Donnerwetter! weder an Reiz noch an Wirkung das Wasser reichen kann. Und was hat eine unschuldige süße Nutte überhaupt darin zu suchen? Sapristi! klingt harmlos, ja fast lächerlich. Ganz sicher kann dieses mickrige französische Sapristi! mit seinen pieksigen „i“ keinen Wutanfall verkörpern. Dagegen ein Unwetterhimmel, von Blitzen zerrissen, Wolken, die über den schwarzen Himmel rollen, betäubende Donnerschläge … das sind die Elemente, die mit dem Donnerwetter! entfesselt werden. Der Mund steht weit offen, man bekommt ihn nicht mehr zu, solange Zorn oder Bewunderung ihm entströmen. Die Augen treten aus ihren Höhlen. Donnerwetter! ist ein wahrer affektiver Orkan.

Gut, ich gebe zu, dass Donnerwetter! ein wenig veraltet ist. Es riecht nach der Wilhelminischen Epoche. Aber hören Sie aufmerksam hin. Im Ohr bewahrt es eine unglaubliche Kraft, ja, seine ganze jugendliche Potenz. Nicht wie Gütiger oder Großer Gott!, die sind wirklich angestaubt und taugen gerade noch für das lexikalische Museum. Und außerdem terrorisieren Gott und Teufel heute niemanden mehr. Nom de Dieu! Um Gottes willen! Teufel! Que diable! und For God’s sake! … Mit dem Namen des Herrn und Satans fluchen ist in unseren gottlosen Zeiten keine Blasphemie mehr. Auch der Ausruf Mensch! hat keine große Wirkung. Was denn Mensch? Wieso plötzlich die ganze Menschheit anrufen? Dieses globale Wort kann nicht überzeugen.

Und wenn Sie drauf bestehen, wenn Sie unbedingt auf Draht sein wollen, dann versuchen Sie einmal das moderne Aber hallo! Hören Sie das Ergebnis? Was für eine traurige Banalität! So schwach! Fast schon lächerlich! Welch ein Mangel an Energie und Vorstellungskraft! Aber hallo! beeindruckt niemanden. Es fällt, plumps, wie ein großer Stein, ohne auf der glatten Oberfläche des Sees der Emotionen Ringe zu ziehen. Donnerwetter! dagegen schnellt zurück, es rollt und springt. Donnerwetter! spielt auf der ganzen Skala, vom Zorn bis zum bewundernden Staunen. Donnerwetter! befreit das Herz.

Und zum Ende wage ich es, das Allerschlimmste zu erwähnen. Vergessen Sie auf der Stelle Mein lieber Scholli! (es stammt vermutlich vom Französischen „joli“ ab, Na, mein Hübscher!), oder Mein lieber Schwan! Nein, bitte nicht! Das geht wirklich nicht! Ich protestiere! Ich verbiete es Ihnen. Donnerwetter noch mal!!!

Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke.

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