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Lafontaine

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Linke in Deutschland: Lafontaines Rachefeldzug gegen die SPD

Oskar Lafontaine träumt vom Olivenbaum, unter dem sich die deutsche Linke versammelt - unter seiner Führung natürlich. Doch Lafontaine bleibt im Vergangenen, wo erneut ein Sturm aufzieht.

Oskar Lafontaine träumt vom Olivenbaum, unter dem sich die deutsche Linke sammelt. Unter seiner Führung natürlich. Eine Mehrheit jenseits von CDU/CSU und FDP ist denkbar, sagen auch die Meinungsforscher. Warum also die Möglichkeit nicht nutzen? Doch unser Land braucht nicht nur eine starke, sondern vor allem eine moderne Linke. Denn entweder reformiert sie das europäische Sozialmodell, oder es droht ein Jahrhundert der Ausgrenzung und Verteilungskonflikte.

Eine Klärung, was links ist und wie eine linke Politik aussieht, ist notwendig. Einfach ist sie nicht. Protest gegen das ökonomische Einheitsdenken ist leicht, aber keine Antwort. Lafontaine bleibt nämlich in Schwarz-Weiß-Schablonen stecken. Oder er reduziert seine Kritik auf Einzelpunkte, die diskussionswürdig sind, aber keine Perspektive eröffnen. Linke Politik braucht jedoch die „positive Negation“. Die konkrete Alternative muss emanzipatorisch sein; die entfesselte Ökonomie durch soziale Regeln bändigen; den Jahrhundertfehler beenden, Wohlstand und Beschäftigung mit der Ausbeutung der Natur zu bezahlen; an einer friedlichen und gerechten Weltordnung mitwirken.

Die Linke war erfolgreich, wo sie eine soziale Gesellschaft auf einem reformpolitischen Weg verfolgt hat, verbunden mit der Emanzipation und Freiheit des Menschen. Das war der Weg der europäischen Sozialdemokratie. Sie stand deshalb auf der richtigen Seite, selbst wenn sie auch Falsches im Richtigen getan hat – und noch tut.

Versagt hat die Linke dort, wo sie selbst bei richtigen Zielen die Machtpolitik der Partei, in der kleine Zirkel über Gut und Böse entscheiden, über alles stellt. Aus dieser Unfreiheit entstehen eine totale Polarisierung und verhärtete Rhetorik. Die dogmatische Linke schottet sich ab, statt Widersprüche auszuhalten und Konflikte demokratisch zu lösen.

Lafontaine steht aber nicht nur im Falschen, er ist dort auch noch der Falsche im Falschen. Mit seiner sozialdemokratischen Vergangenheit liefert er die Tünche, um den bis heute fortbestehenden Konflikt um Freiheit und Reformen zu verkleistern. Er tritt mit einer aggressiven Sprache auf, die eine Klärung nicht zulässt. Er kann keine Schutzmacht der „kleinen Leute“ sein, solange seine Politik zuerst der Rachefeldzug gegen die SPD ist. So wie schon nach seinem Rücktritt von 1999, wo er gar Stoiber wollte, um Schröder zu verhindern. Polemik, Protest und Populismus: Was ihm nicht passt, ist Neoliberalismus. Willy Brandt fragte sich, welches Geschichtsverständnis Lafontaine eigentlich hätte. Wahrscheinlich keins, mutmaßte er.

Dennoch wäre es falsch, den Mann von der Saar zu dämonisieren. Das würde nicht nur von der eigentlichen Auseinandersetzung ablenken, sondern auch von den eigenen Schwächen.

Lafontaine bleibt im Vergangenen, obwohl erneut ein Sturm aufzieht. Mit dem Klimawandel und den absehbaren Verteilungskonflikten um Rohstoffe baut sich eine noch größere Herausforderung auf als der Umbruch der neunziger Jahre. Die Linke muss jetzt eine große Geschichte erzählen, wie eine gute Zukunft möglich wird: weg von der Fixierung auf bloßes Wachstum hin zu einer nachhaltigen Entwicklung, die Ökonomie, soziale Gerechtigkeit und Ökologie miteinander verbindet. Das ist ihr Projekt, doch große Teile der traditionellen Linken sind im alten Wachstumsdenken stecken geblieben, in dem Kapitalismus und Kommunismus gleichsam feindliche Zwillinge waren. Neues Denken ist das nicht.

Wie seine Mitstreiter Gysi und Bisky hat Lafontaine noch keinen wichtigen Gedanken zur Idee eines neuen Fortschritts beigetragen. Keine andere Partei ist so tief im mechanistischen Wachstumsdenken verwurzelt.Unter der populistischen Fahne glaubt sie an die Allmacht der Produktivkräfte und die technische Machbarkeit. So kann die Party auf Kosten der Natur, Dritten Welt und Zukunft nicht beendet werden. Das ist die Aufgabe der Sozialdemokratie. Sie muss die große Geschichte der Nachhaltigkeit erzählen. Oskar fährt ins Nichts.

Der Autor ist Staatssekretär im Umweltministerium und war langjähriger Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD-Fraktion.

Michael Müller

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