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Loveparade-Katastrophe: Schrecken ohne Ende

Einseitige Schuldzuweisungen behindern die Aufklärung des Unglücks von Duisburg.

Es nimmt kein Ende. Die Katastrophe von Duisburg dauert an. Die Vorfälle vom vergangenen Samstag sind weder der Anfang noch der Schlusspunkt. Die Katastrophe nahm vor Jahren, als die Planungen begannen, ihren Lauf – und setzt sich bis heute fort. Weil die Wunden quälend langsam nur heilen – jene, die physisch sichtbar und spürbar sind, aber vor allem jene, die psychisch schmerzen. Weil es wieder ein Todesopfer mehr zu beklagen gibt. Aber auch die Verantwortlichen tragen nicht dazu bei, einen Schnitt zu machen.

Niemand verlangt die einfache Antwort auf die schwierige Frage „Warum“. Die wird es nicht geben. Der gesunde Menschenverstand sagt schon, dass niemand allein schuld sein kann. Es werden die fehlenden Ordner und das Abweichen vom Sicherheitskonzept des Veranstalters eine Rolle spielen, doch auch Fehler der Polizei sind nicht auszuschließen. Auch wenn dieser Eindruck vermieden werden soll. Es wird der Oberbürgermeister Schuld tragen, genauso wie die Dezernenten und Amtsleiter, die offensichtlich Warnungen ignoriert haben.

Es werden aber auch die Warner selbst sein, die vielleicht einmal den Finger gehoben, ihn aber nicht konsequent oben gehalten haben. Es werden, so zynisch das klingt, auch nicht alle Besucher richtig agiert haben. Aggressiv soll die Stimmung phasenweise gewesen sein. Aber wer will denen, die schon in der Menge steckten, denen kein Ausweg mehr geboten wurde, ihre Panik vorhalten?

Sich nur einen Schuldigen herauszupicken, ist zu einfach. Genau das aber ist die Strategie: Wenn sich schon einmal ein Verantwortlicher äußert, was viel zu selten passiert, dann nur mit Schuldzuweisungen in eine Richtung – in die der anderen. So auch Ralf Jäger, der frisch gekürte Innenminister Nordrhein-Westfalens. Er beruft sich auf seinen Bereich: die Polizei. Und er vernachlässigt sein anderes Verantwortungsgebiet: die Politik. Natürlich will er seine Polizisten schützen. Aber was ist mit den Verantwortlichen der Stadt? Was ist mit denen, die diese Parade unbedingt in der Stadt haben wollten, die Duisburger, so wie auch Jäger einer ist. Es ist nicht glaubhaft, dass einer wie er nicht weiß, was in seiner politischen Heimat, abgelaufen ist. Es ist richtig, sich auf Fakten zu berufen, auf Analysen der Polizei, auf Videos, auf Zeugenaussagen. Doch die kann man auch in der Verwaltung einholen. Hier muss es Zeugen geben, Zeugen einer Katastrophe, die sich lange vor dem 24. Juli zusammengebraut hat. Müssen alte Bekannte geschützt werden? Soll eine Stadt, die ohnehin keine finanziellen Befugnisse mehr hat und am Tropf der anderen NRW-Gemeinden hängt, vor horrenden Schadenersatzansprüchen geschützt werden? Vielleicht ein ganzes Bundesland?

Es ist richtig, Verantwortliche zu benennen. Und der Veranstalter ist zweifellos einer davon, ein zentraler sogar. Nur ist es nicht vorstellbar, dass alle anderen schuldlos sind. Nicht umsonst heißt es Verantwortung übernehmen. Davon ist die Politik weit entfernt. Und deshalb ist die Katastrophe noch nicht überstanden.

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