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Harald Martenstein.

© dpa

Martenstein über Protest gegen Israel: Ein perfektes Setting

Harald Martenstein wundert sich, dass gegen Israel mehr demonstriert wird als gegen andere Staaten, gegen die man ebenfalls demonstrieren könnte wie etwa Iran, Syrien, Russland oder Nordkorea.

Ich kenne etliche Leute, die wütend sind über Israel, die ich aber nicht für Antisemiten halte. Selbstverständlich kann ich mich täuschen, vielleicht sind es doch welche, trotz SPD-Mitgliedschaft, multikulturellem Lebenswandel, toleranzgesättigtem Alltag etcetera.

Es ist ja auch erstaunlich, dass gegen Israel mehr demonstriert wird als gegen andere Staaten, gegen die man ebenfalls demonstrieren könnte, ich nenne mal Iran, Syrien, Russland oder Nordkorea. Über die barbarische Isis scheint sich überhaupt niemand aufzuregen, trotz Massenhinrichtungen, Frauenverstümmelungen und Christenvertreibung. Kann man das überhaupt erklären, ohne dabei den Antisemitismus zu Hilfe zu nehmen? Ich versuche es.

Jeder kennt Hollywoodfilme. Wie werden eigentlich gut und böse, richtig und falsch, Schurken- und Heldenrollen in Hollywood definiert, der perfektesten Bewusstseinsmaschine der Welt? Israel ist sehr reich, verglichen mit den Palästinensergebieten. Israel ist militärisch viel stärker als seine Gegner. Wenn Israel sich gegen Angriffe verteidigt, was es zweifellos tut, dann stirbt bei diesen Aktionen ein Vielfaches der israelischen Opfer, darunter viele Kinder und unbeteiligte Zivilisten.

Es ist ein perfektes Setting. Reiche und Starke kämpfen gegen Arme und Schwache, die einen töten wenige, die anderen töten viele – in jedem Film wäre sofort klar, auf wessen Seite das Publikum steht.

Es wäre auch so, wenn das reiche und starke Land nicht Israel hieße. Ich spreche hier über Psychologie und über die Macht der Bilder, nicht über Politik, nicht über die Frage, wer hier tatsächlich schuldiger oder weniger schuldig ist, falls man das überhaupt sagen kann. Israels Gegner, die Hamas, kennt diesen Zusammenhang und treibt auf verbrecherische Weise die Zahl der zivilen Toten in die Höhe, indem sie Raketen in zivilen Gebäuden versteckt. Und natürlich kommt der Antisemitismus noch dazu, den gibt es ja. Aber man muss kein Antisemit sein, um sich von dieser perfekten Hollywood-Dramaturgie beeindrucken zu lassen und auf Israel wütend zu sein.

Noch etwas kommt hinzu. Israel sagt, zu Recht, dass Länder sich gegen Angriffe wehren dürfen. Gleichzeitig führt das Land einen ununterbrochenen Eroberungsfeldzug gegen die Palästinenser. Sie werden vertrieben, ihr Land wird von Israel besiedelt. Wie würde die Weltöffentlichkeit reagieren, wenn morgen Frankreich erklären würde, Gott habe den Franzosen die Schweiz geschenkt, und wenn fast wöchentlich französische Dörfer in der Schweiz gebaut würden, nach Vertreibung der Schweizer? Jedes Kind kann dieses Unrecht erkennen. Und solange es nicht endet, wird es keinen Frieden geben, egal, ob in Gaza die Hamas regiert oder der Dalai Lama.

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