zum Hauptinhalt

Matthies meint: Heb ab! Los, heb ab!

Das gegenwärtig herrschende Lebensgefühl ließe sich vielleicht so beschreiben, dass wir alle gerade an Bord einer Titanic leben, die auf dem Vulkan tanzt, während sie gleichzeitig ruderlos auf einen Eisberg zusteuert.

Oder war es umgekehrt? Egal: Wie groß die Unsicherheit ist, mag ein Satz der Deutschen Presse- Agentur zeigen, die uns mitteilt: „In einer einen beispiellosen Stützungsaktion für den kränkelnden Euro hatte die Europäische Union grünes Licht für insgesamt 750 Milliarden Euro Notfall-Kredite geschnürt.“

Wenn die EU in einer einen Notfallaktion grünes Licht schnürt, dann gibt es nur noch eins: Dann muss bei uns die rote Warnlampe schrillen. Es ist einfach zu viel, was da in den letzten Wochen zusammengekommen ist. Im Golf von Mexiko sprudelt das Öl sinnlos aus dem Meeresboden, der komische Jökull bläst seine blöde Asche immer wieder in die Flugrouten, die Wolfsrudel der Spekulanten attackieren den schönen Euro. Und Jürgen Rüttgers will Ministerpräsident bleiben. Gekrönt wird das ganze Desaster davon, dass Klimaerwärmung und eiskaltes Mistwetter gleichzeitig auftreten. Könnte nicht wenigstens das umgekehrt sein?

Es gibt Menschen auch in dieser Redaktion, die nur noch unter Schmerzen ihrer Pflicht nachkommen, den Bildschirm mit den Nachrichtenprogrammen im Auge zu behalten. Oben künden die Moderatoren grämlich vom weltweiten Scheitern in allen interessierenden Fragen, während der Textstreifen unter ihnen abwechselnd die Toten neuer Terroranschläge zählt und den Auftrieb der Ölpreise dokumentiert. Die Welt läuft irgendwie schief; man sehnt sich förmlich in die Zeit zurück, als der „Club of Rome“ ihr einfach nur den Untergang voraussagte.

Die Suche nach guten Nachrichten förderte auch gestern wieder nur Nieten zutage. Hier, immerhin das könnte eine sein: Die von der Euro-Einigung ausgelöste Dollarschwäche hat die Terminkontrakte für Rohzucker nach Monate langer, langer Talfahrt in die Höhe getrieben. 2010 war bislang für Zucker das schwärzeste Jahr, lesen wir – insofern müssen wir von einem guten Tag sprechen, zumindest aus Sicht eines Zuckerhändlers.

Schwacher Trost. Die Männer des Tages sind die Piloten, die im August in Madrid mit einer Maschine der Spanair verunglückt waren. Jetzt liegt der Untersuchungsbericht vor und dokumentiert ihre letzten Worte: „Heb ab! Los, heb ab! Scheiße.“ Es ist diese imponierend professionelle, knappe Kühle, die wir unseren Katastrophenverantwortlichen anraten wollen – bevor sie wieder nur hektisch grünes Licht schnüren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false