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Meinung: Mazedonien: Krieg oder Frieden? Krieg und Frieden

Ist der Frieden gerettet? Oder steht Mazedonien vor dem Krieg?

Ist der Frieden gerettet? Oder steht Mazedonien vor dem Krieg? Am Ohridsee haben sich die Vertreter der slawischen Mehrheit und der albanischen Minderheit auf ein Abkommen geeinigt, das sie am Montag unterzeichnen wollen - das Abkommen, das Voraussetzung für die Stationierung von Nato-Truppen ist. Es wäre das erste Mal seit Ausbruch der Kämpfe in Ex-Jugoslawien, dass der Westen nicht zu spät kommt: nicht erst dann, wenn Hunderttausende ermordet, vertrieben, geflüchtet sind und eine weitere Republik in Trümmern liegt. In Bosnien, im Kosovo musste die Nato mit ihren Waffen Frieden schaffen. In Mazedonien käme sie zur Prävention, um den Frieden zu retten - noch in diesem Monat, wenn alles gut geht.

In Tetovo nahe der Grenze zum Kosovo wird aber weiter geschossen. Die Befreiungsarmee UCK hat die Albanerviertel der Stadt unter ihre Kontrolle gebracht und greift immer wieder mazedonische Polizei und Armee auf den Verbindungsstraßen in die Hauptstadt Skopje an. Sie will sich offenbar territoriale Vorteile sichern, hat das Ziel des Anschlusses der Albanergebiete ans Kosovo noch nicht aufgegeben. Der mazedonische Sicherheitsrat hat deshalb eine neue Offensive gegen die Rebellen beschlossen. Krieg oder Frieden, das ist die falsche Frage - es herrscht Krieg und Frieden in Mazedonien, gleichzeitig.

Deshalb will in Berlin und anderen Nato-Hauptstädten auch keine Erleichterung aufkommen. Obwohl die Verantwortlichen seit Wochen auf die erlösende Nachricht gewartet haben, dass Slawen und Albaner sich arrangieren - sich endlich einigen auf den Gebrauch der albanischen Sprache in den Minderheitengebieten, mehr albanische Polizisten und eine freiwillige Entwaffnung der UCK.

Die Gleichzeitigkeit von politischer Einigung und Schusswechseln beschwört all die tristen Erinnerungen wieder herauf an die Schicksalstage in Kroatien, in Bosnien, im Kosovo. Auch dort wurde lange um Kompromisse gerungen, wurden Abkommen unterschrieben, siegte für einen Moment Hoffnung über die Zweifel. Am Ende brach der Krieg doch aus. Und im Nachhinein wurde offenbar, dass viele Balkan-Politiker ein Doppelspiel getrieben hatten.

Haben der Kanzler, der Verteidigungsminister, die Grünen und die Opposition da nicht Recht, dass sie sich jeden Jubel verkneifen? Sie rufen zur Besonnenheit auf, loben die Vermittler der EU und der USA für ihren Erfolg, sehen aber keinen Grund, die Entscheidung über das Bundeswehr-Mandat voranzutreiben. Sie warten ab - zunächst einmal bis Montag, ob das Abkommen überhaupt unterzeichnet wird.

Die Risiken sind ja auch sehr schwer abzuschätzen. Die Unterschrift der Verhandler genügt nicht, eine verfassungsändernde Mehrheit des mazedonischen Parlaments muss die Einigung absegnen. Und wird sich die UCK an die Zusicherung der albanischen Politiker halten, wird sie ihre Waffen freiwillig abgeben? Sie saß nicht mit am Verhandlungstisch. Es gibt einige in Mazedonien, die von Krieg und Unsicherheit mehr profitieren als vom Frieden. Jeder neue Kampf, jeder neue Überfall, jedes neue Opfer wird zur Belastungsprobe für das Abkommen, das bis jetzt nur abgezeichnet, nicht unterzeichnet ist.

Gerade deshalb könnte eine entschlossene Hand jetzt sehr nützen. Jeder weitere Tag Verzug bedeutet ein zusätzliches Risiko. Deshalb sollten die westlichen Regierungen alles tun, damit die Nato-Truppen sofort in Marsch gesetzt werden können, sobald die Einigung tatsächlich in Kraft ist. Die Allianz genießt Respekt auf dem Balkan. Ihre massive Präsenz wird Scharfmacher binnen kurzem entmutigen, das haben die Erfahrungen in Bosnien und im Kosovo gezeigt. In Mazedonien sind die Widerstände geringer - eben weil es noch nicht zum Krieg gekommen ist, der Hass und Unversöhnlichkeit nährt.

Der Nato-Rat, die Bundesregierung und der Bundestag sollten sich auf schnelle Entscheidungen einstellen. Und auf ein ehrliches Mandat - ein robustes. Das bedeutet: Mehr als 3500 Mann müssen entsandt werden, und für länger als 30 Tage. Nur nicht warten, bis am 10. September die Sommerpause des Parlaments offiziell endet. Dann könnte die Gelegenheit, den Krieg zu verhindern, längst wieder verpasst sein.

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