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Meinung: Mazedonien: Wo der Schlüssel liegt

Die Bundeswehr beginnt jetzt erst mit ihrem Beitrag zur Waffenernte in Mazedonien. Doch schon denkt alle Welt laut nach, wie es nach den 30 Tagen Nato-Einsatz weitergehen kann.

Die Bundeswehr beginnt jetzt erst mit ihrem Beitrag zur Waffenernte in Mazedonien. Doch schon denkt alle Welt laut nach, wie es nach den 30 Tagen Nato-Einsatz weitergehen kann. Joschka Fischer hat beim EU-Außenministertreffen ein Mandat der Vereinten Nationen gefordert - im Gegensatz zu manchen seiner Kollegen und zu Javier Solana, dem außenpolitischen Repräsentanten der EU und früheren Nato-Generalsekretär. Denkt der Grüne womöglich an die Heimatfront? Für eine Verlängerung der Bundeswehr-Präsenz ist eine neue Bundestagsmehrheit nötig - und UN-Mandat klingt in vielen Ohren besser als ein Nato-Einsatz "nur" auf Einladung Mazedoniens. FDP und PDS hatten dies offen gefordert.

Zum Thema Dokumentation: Fischers Bundestagsrede in Auszügen. Chronologie: Auslandseinsätze der Bundeswehr Hintergrund: Die NATO-Operation "Essential Harvest" Die Aufgaben: Was die Bundeswehr in Mazedonien erwartet. Die Beteiligten: Welches Land wieviel Soldaten nach Mazedonien schickt Fischer muss man nicht innenpolitische Motive allein unterstellen. Ihm geht es auch um die Einbeziehung Moskaus und um eine breitere Rechtsgrundlage. In der Tat hat es Russland in der Hand, die Atmosphäre zu entspannen oder anzuheitzen. In Mazedonien wird zu Jahresbeginn 2002 gewählt, und die slawischen Nationalisten machen Stimmung gegen die Nato: Die USA seien eine Schutzmacht der Albaner, das Waffensammeln eine Farce. Außerdem bezieht die mazedonische Armee ihr Arsenal zur Bekämpfung der albanischen Rebellen, moderne Hubschrauber zum Beispiel, von Russland und der Ukraine. Aber wer kann garantieren, dass daraus nicht ein Albtraum wird, dass sich die Konstellation der Stellvertreterkonflikte im Kalten Krieg wiederholt - der Westen als Schutzmacht der einen, Russland als die der anderen Seite?

Muss man nicht alles daran setzen, Moskau auf die Seite der Nato zu ziehen? Etwa so: OSZE-Beobachter überwachen die Entwicklung nach Abschluss der Waffenernte und der Verfassungsänderung. Zu ihrem Schutz bleibt ein Nato-Kontingent da, abgesegnet durch ein UN-Mandat für ein halbes oder dreiviertel Jahr. Bis dahin hat sich die Lage hoffentlich beruhigt. Und bis dahin haben die albanischen Polizisten ihren Dienst angetreten. Auch darüber haben eben erst Vertreter der USA, der EU und der Nato in Moskau gesprochen.

Nur: Stimmt das denn überhaupt, dass Legitimation und Sicherheit durch ein UN-Mandat in jedem Fall wachsen? Völkerrechtlich ist es für Mazedonien unnötig. Die Regierung in Skopje darf die Nato und andere auch ohne UN-Deckung zur Friedenssicherung einladen. Das ist in der UN-Charta verbrieft. Es käme auch niemand auf die Idee, die Anwesenheit der Alliierten in der Bundesrepublik sei ohne UN-Mandat nicht ausreichend legitimiert gewesen - oder heute die Stationierung deutscher und dänischer Soldaten im polnischen Stettin, im neuen trinationalen Nato-Korps. Und was soll das Mandat für die Sicherheit bringen? Die Gegner des Friedenskompromisses haben, wenn überhaupt, Respekt vor den Waffen der Nato, aber nicht vor Resolutionen der Vereinten Nationen.

Die Rückendeckung der UN für die zweite Etappe des Mazedonien-Einsatzes wäre vor allem politisch-kosmetischer Natur. Was nicht heißt, dass sie folgenlos bliebe. Ohne Zwang liefert sich der Westen der Mitsprache Russlands und Chinas bei der Formulierung des Mandats aus - und damit auch dem Vetorecht dieser ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, spätestens wenn es um eine mögliche Verlängerung geht.

Es gab schon mal eine UN-Friedensmission in Mazedonien (UNPREDEP), das Land blieb unbehelligt von den Kriegen in Jugoslawien. Sie musste jedoch zum denkbar gefährlichsten Zeitpunkt beendet werden, weil Peking sein Veto einlegte: im Februar 1999, kurz vor der Nato-Intervention im Kosovo, wurde Mazedonien schutzlos. Skopje hatte Taiwan im Gegenzug für mehrere Millionen Dollar Investitionen diplomatisch anerkannt; China brach die Beziehungen ab und verweigerte die Verlängerung des UN-Mandats.

Russland hat schon bei den Friedensmissionen in Bosnien immer wieder Gleichberechtigung mit der Nato verlangt: das so genannte Zwei-Schlüssel-Prinzip. Doch der Westen blieb hart. Bei allen Entscheidungen, von denen die Sicherheit der eigenen Soldaten abhängt, dürfe es nur einen Schlüssel geben. In Mazedonien geht es nicht um Kampfeinsätze. Aber das Ein-Schlüssel-Prinzip ist auch hier richtig. Warum überhaupt sollte die Nato Moskau in eine Veto-Positionen bringen, die leicht zur Versuchung werden kann - etwa wenn es demnächst um die zweite Runde der Nato-Erweiterung geht. Ob das neue Mazedonien-Mandat nicht auch wieder verlängert werden muss, kann heute niemand sagen.

Warum laden Mazedonien und die Nato nicht Russland zur Teilnahme am anstehenden Bewachungseinsatz ein? Ganz ohne UN. Die werden nichts dagegen haben.

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