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Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Sommerpressekonferenz am 19. Juni 2013 in Berlin.

© dpa

Merkel und der US-Geheimdienst: Keine Beteiligung am NSA-Feldzug

Deutschland ist ein souveränes Land mit eigenen Gesetzen und Werten - vor allem, wenn es um Bürgerrechte und den Handlungsspielraum von Geheimdiensten geht. Bundeskanzlerin Merkel hat offenbar verstanden, dass sie das gegenüber den USA jetzt verteidigen muss. Endlich.

Von Antje Sirleschtov

Wahrscheinlich wird es nicht ihr Herausforderer gewesen sein, der Angela Merkel aus dem Dämmerzustand erweckt hat, sondern es waren wohl die aktuellen Umfragen bei den Wählern – und ein aufmerksamer Blick ins Geschichtsbuch. Endlich, möchte man sagen. Endlich hat die deutsche Regierungschefin den amerikanischen Verbündeten in aller Deutlichkeit die rote Linie aufgezeigt: Freundschaft und Verbundenheit ja. Aber kein Gehorsam, der bis hinein in die Grundrechte der Deutschen reicht.

Vor einer Woche hatte Peer Steinbrück der Kanzlerin vorgeworfen, sie verletze ihren Amtseid, weil sie das Grundrecht der Deutschen auf informationelle Selbstbestimmung nicht beherzt genug gegen die Angriffe amerikanischer Geheimdienste schütze. Und das muss man der Regierungschefin attestieren: Es hat lange, sehr lange, gedauert, ehe Angela Merkel klar wurde, dass es keine Lapalie ist, wenn die Deutschen feststellen, dass amerikanische Geheimschnüffler jahrelang ihre Mails, SMS und Telefonkontakte scannten. Reihenweise, massenhaft. So etwas lässt sich auch nicht mit dem weltweiten Kampf gegen Terrorismus und auch nicht mit einer – verständlichen – Angst der USA vor einer Wiederholung des 11. September 2001 rechtfertigen.

Deutschland ist ein souveränes Land mit eigenen Gesetzen und Werten. Insbesondere, wenn es um die Rechte der Bürger und die Befugnisse von Geheimdiensten geht. Ein „Supergrundrecht“ auf Sicherheit, wie es der hilf- und orientierungslose Innenminister Hans-Peter Friedrich nennt, gibt es hier nicht. Amerika, aber auch die europäischen Partner müssen das respektieren. Und wenn sie es nicht tun, dann ist es die Aufgabe der Regierung, darauf zu dringen. „Wir sind zu Solidarität bereit“, hatte Gerhard Schröder 2002 in Richtung Westen gerufen, „aber dieses Land wird unter meiner Führung für Abenteuer nicht zur Verfügung stehen.“ Das galt damals für eine deutsche Beteiligung am Irak–Krieg von George W. Bush. Es gilt heute genauso für einen modernen Feldzug der NSA im Internet.

Natürlich wäre es naiv zu erwarten, dass ein US-Geheimdienstchef demnächst öffentlich seine Arbeit im Detail erläutert. Genauso sollte niemand den Eindruck erwecken, man könne demnächst deutsche Cyber-Sheriffs vor amerikanischen Servern postieren, auf dass sie dort die Einhaltung deutscher Grundrechte durchsetzen. Jeder, der mit dem Handy telefoniert und seine Nachrichten per über das Internet um die Welt schickt, muss wissen, dass nicht nur „autorisierte Freunde“ mitlesen können. Und zwar ganz legal und ohne jede Eingriffsmöglichkeit einer deutschen Regierungschefin. Auch zum Abbruch transatlantischer Beziehungen besteht weder Anlass noch Notwendigkeit. Amerika und nicht China oder Russland, das sollte bei aller Aufregung keiner vergessen, ist unser nächster Verbündeter, wenn es um Sicherheit und die Gestaltung der Zukunft in einer globalen Welt geht.

Aber hier, auf deutschem Boden, muss deutsches Recht und nicht „das Recht des Stärkeren“ gelten. Merkel hat diese Lektion des Wahlkampfes 2002 gelernt. Schröders „Nein“ zum Irak–Krieg hatte sie seinerzeit mit dem Hinweis gekontert, der Bundeskanzler spreche „nicht für alle Deutschen“ und die Bundestagswahl – trotz hoher Umfragewerte – mit der CDU verloren. Heute zitiert Merkel ihren Amtsvorgänger und zeigt damit neun Wochen vor der Bundestagswahl: Ich habe verstanden. Lang genug hat es gedauert.

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