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Justizsenator Thomas Heilmann.

© dpa

Nach dem Ausbruch aus der JVA Moabit: Rücktritt von Thomas Heilmann? Nein, ganz im Gegenteil!

Kaum war der Ausbruch bekannt, hat gleich schon der Erste den Rücktritt von Thomas Heilmann ins Gespräch gebracht. Das hat Tradition in Berlin, gehört zur Folklore - und ist zu kurz gegriffen.

Der Ausbruch zweier Gefangener aus der Justizvollzugsanstalt Moabit erinnert an alte Zeiten, es klingt wie eine Geschichte mit der Olsenbande, altmodisches Klamaukkino: Gitterstäbe durchgesägt, womöglich mit einer Feile, die im Besucherkuchen versteckt war; Handtücher und Bettlaken verknotet, abgeseilt, über die Mauer geklettert, vorbeigezwängt am Stacheldraht, der - so ein Zufall aber auch - nach Bauarbeiten nicht wieder richtig befestigt war; dann einen Pulli über die Eisenzacken gelegt – und weg.

Was fehlt noch? Ja klar, der Alarm, bei dem sich die Justizvollzugsbeamten nicht einigen können: Schaust du nach, schau ich?, und der gemeinsame Beschluss: Fehlalarm. Filmreif? Also, wer das als Drehbuch für einen Tatort anbietet, wird rausgeschmissen.

Ausbrecherkönig Eckehard „Ekke“ Lehmann gelang elf Mal die Flucht

Das Besondere an diesem Fall ist aber vor allem, dass aus Moabit so lange keinem mehr die Flucht gelang, der letzte erfolgreiche Ausbruch liegt fünfzehn Jahre zurück. Früher dagegen ist in Berlin ständig einer fortgelaufen aus dem Knast, Ausbrecherkönig Eckehard „Ekke“ Lehmann hat’s alleine auf elf Mal gebracht. Zur Zeit sitzt er übrigens gerade mal wieder.

Und die Justizsenatoren und -senatorinnen haben von der Opposition immer auf den Deckel bekommen: Jutta Limbach, Lore-Maria Peschel-Gutzeit, Ehrhart Körting, egal wie sie hießen, egal wer sie waren, fast alles sind schwer unter Druck gekommen wegen der Zustände in den Berliner Gefängnissen, fast alle auch wegen erfolgreicher Fluchten. Das ist sogar schon Eberhard Diepgen passiert, als der einige Zeit quasi nebenbei Justizsenator war, so wie heute Klaus Wowereit heute nebenbei Kultursenator ist.

Einige Justizsenatoren sind auch tatsächlich zurückgetreten wegen Gefängnisausbrüchen, Hermann Oxfort und Jürgen Baumann zum Beispiel,  andere konnten sich gerade noch so über die Zeit retten.

Was zu beißen? Na dann am liebsten die Wade des Senators

Jetzt also Thomas Heilmann. Kaum war der Ausbruch bekannt, hat gleich schon der Erste seinen Rücktritt ins Gespräch gebracht. Das hat Tradition in Berlin, gehört zur Folklore, ist ein politischer Reflex. So, wie Iwan Petrowitsch Pawlow Hunde zum Speicheln brachte, funktioniert das auch mit rechtspolitischen Sprechern. Aufs Stichwort „Ausbruch“ wollen sie was zu beißen haben, am liebsten die Wade des Senators. Diesmal war es ausgerechnet Sven Kohlmeier von Heilmanns Koalitionspartner SPD, der die Welt raunend wissen ließ, dass andere Justizsenatoren schon wegen weniger zurückgetreten seien. Das stimmt zwar nicht, klingt aber gut. Echte Freunde stehen zusammen, Berliner Koalitionsfreunde fallen übereinander her.

Ein Nebeneffekt der ganzen Angelegenheit ist jedenfalls, dass viele Leute jetzt wenigstens mal mitbekommen, dass wir überhaupt einen Justizsenator haben. Heilmann gehört zwar zu den beliebtesten Politikern der Stadt, aber erstens konnten bisher nur etwas mehr als die Hälfte der Berliner und Berlinerinnen mit seinem Namen etwas anfangen, und zweitens ist er für die andere Hälfte überwiegend mit Verbraucherthemen in Erscheinung getreten. Als Werber wird es ihn wurmen, dass sein Ressort zu denen gehört, die vor allem auffallen, wenn etwas schief geht; ein Kreativer muss sich da geradezu eingesperrt fühlen, deshalb wäre es auch nicht überraschend gewesen, wenn der erste Ausbruch in seiner Amtszeit nicht einer aus dem Gefängnis, sondern seiner aus dem Senat gewesen wäre.

Auch beim Knastsport ist Berlin auf Zack

So hat er also jetzt seinen ersten richtigen Fall. Aber da es solange keinen dieser Fälle gab, sind offenbar die Zustände zumindest in Moabit nicht ganz so katastrophal und auch die Justizvollzugsbeamten nicht ganz so verschlafen, wie jetzt mancher meint. Auch beim Knastsport ist Berlin auf Zack - wer solche Mauer überklettert wie die in Moabit, hatte sicher ein gutes Gym zur Verfügung.

Ein Rücktrittsgrund ist jedenfalls, nach dem jetzigen Stand der Erkenntnis, aus dieser Flucht nicht abzuleiten. Vielleicht bahnt sich da ja auch langsam das Gegenteil an, also nicht Rücktritt, sondern Fortschritt. Heilmann wird nicht ewig Senatsreserve der CDU bleiben wollen. Er ist doch eher so der Typ Michael Bloomberg, und der hat es als vermögender Modern-Konservativer immerhin zum Bürgermeister von NYC gebracht.

Was Heilmann braucht, um nicht aus der Berliner Politik auszubrechen, sondern in ihr aufzubrechen, ist eigentlich genau das, was er den geflüchteten Gefangenen launig in der Pose des Leibesübungssenator attestiert hat: „Eine Kombination aus sportlicher Leistung und glücklichen Zufällen“. Das erste ist ihm zuzutrauen, und wenn die schweren Jungs schnell geschnappt werden, nehmen die glücklichen Zufälle ja vielleicht auch noch für Heilmann ihren Lauf.

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