zum Hauptinhalt

Meinung: Nahost-Konflikt: Ohne Puffer

Der Nahe Osten hat eine lange Geschichte der Gewalt. Und immer wenn Gewalt regierte, wurden politische Lösungen um Jahre hinaus verzögert und verschoben.

Der Nahe Osten hat eine lange Geschichte der Gewalt. Und immer wenn Gewalt regierte, wurden politische Lösungen um Jahre hinaus verzögert und verschoben. So war es mit den schweren israelischen Angriffen auf Beirut 1983 - erst 16 Jahre später zog die israelische Armee einseitig aus Libanon ab. Die palästinensische Terrorwelle von 1996 unterbrach den von Rabin und Peres begonnenen Friedensprozess und führte zur Wahl von Benjamin Netanjahu: Dessen Regierungsperiode war im Hinblick auf den Friedensprozess verlorene Zeit.

Und nun wieder: Die Konfrontationen zwischen steine werfenden Palästinensern und israelischen Soldaten werden abgelöst von Terroranschlägen der Palästinenser und israelischen Luftangriffen auf palästinensische Städte. Und Israel scheint wieder - wie jahrelang in Libanon - darauf zu setzen, dass der Terror durch tägliche Beweise der eigenen militärischen Überlegenheit beendet werden kann.

Die neueste Idee der amerikanischen Außenministerin Madeleine Albright, angesichts der Gewaltspirale Pufferzonen zwischen den Kontrahenten einzurichten, ist schön - aber völlig unrealistisch und von den Ereignissen längst überholt. Sinn hätte eine solche räumliche Trennung vielleicht vor Wochen gemacht, als sich noch palästinensische Demonstranten und israelische Soldaten gegenüberstanden. Doch auch damals hätte sich die Frage gestellt, wer diese Trennung durchsetzen soll: unbewaffnete UN-Soldaten etwa?

Diese Pufferzone könnte dieser Tage keine Terroranschläge verhindern, sie würde auch die Palästinenser nicht vor israelischen Luftangriffen schützen. Dass ausgerechnet Albright, eine ausgewiesene Realpolitikerin mit wenig Neigung zu Traumtänzerei, zu diesem Vorschlag greift, verdeutlicht die schier aussichtsslose Dramatik der Lage. Ähnlich hilflos wirkt der Besuch von Palästinenserpräsident Arafat in Moskau: Nachdem der russische Präsident Putin es nicht mal für nötig gehalten hatte, zum Gipfel nach Scharm el Scheikh zu kommen, ist wohl klar, dass sich Russland zunächst aus dem Nahen Osten verabschiedet hat. Ganz abgesehen davon, dass man fragen kann, wie viel Russland noch in der Region zu sagen hat.

Wer kann jetzt überhaupt noch etwas tun? Arafat hat den Bombenanschlag von Hadera und "jegliche terroristische Aktivität" verurteilt. Das waren klarere Worte als in den vergangenen Wochen. Verhindern kann er den palästinensischen Terror damit nicht. Israel kann ein Signal setzen, indem es auf kollektive Bestrafung verzichtet und keine Bomben mehr über palästinensischen Städten abwirft. Die Bombardierung von Gaza war im israelischen Sicherheitskabinett nur äußerst knapp gebilligt worden, die ägyptische Reaktion darauf hat Israel wohl überrascht und so stehen die Chancen nicht schlecht, dass Israel sich diesmal zügelt.

Um die Gewaltspirale zu stoppen, muss Israel auch darauf verzichten, verdächtigte Fatah-Offiziere in den Palästinensergebieten einfach zu erschießen. Solange Israel die islamistischen Gruppen, die sich bekanntermaßen des Terrors bedienen, mit Arafats Fatah-Bewegung und der Autonomie-Behörde in einen Topf wirft, ist kein Wille zur Beruhigung der Lage zu erkennen.

Allerdings steht der Übergang vom palästinensischen Volksaufstand zum palästinensischen Terror nur bedingt in Zusammenhang mit den maßlosen israelischen Militäraktionen. Sie ist auch ein Resultat der wirtschaftlichen Lage in den seit Wochen abgeriegelten Palästinensergebieten: Das Geld geht aus, die Vorräte zur Neige. In dieser sich zuspitzenden Situation steigt die Bereitschaft, Anschläge zu dulden oder gar selbst auszuführen. Die Massendemonstrationen lassen nach, der Terror nimmt zu. Eine unheilvolle Entwicklung. Und sie ist kaum noch zu kontrollieren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false