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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

© dpa/Christian Charisius

Wird die Ukraine bald Nato-Mitglied?: Kanzler Scholz hat die heikle Frage bisher umschifft

In Deutschland ist die Debatte zum ukrainischen Mitgliedsantrag nie richtig angekommen. Doch bald berät die Nato darüber – höchste Zeit für eine Diskussion.

Ein Kommentar von Christopher Ziedler

Im Bündnis wird das Thema schon lange diskutiert, in Deutschland ist die Debatte darüber nur nie richtig angekommen. Das liegt auch daran, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) immer kurz angebunden und schmallippig reagiert, wenn ihm die Frage gestellt wird: Soll die Ukraine Mitglied der Nato oder zumindest schon einmal eingeladen werden, nach Ende des Krieges mit Russland beizutreten?

Falls Kiews Staatschef Wolodymyr Selenskyj am Wochenende tatsächlich Deutschland besucht, könnte der Kanzler eine Antwort in Bezug auf das heikle Anliegen seines Gastes sicherlich erneut umschiffen. Spätestens auf dem Nato-Gipfel Mitte Juli in Litauen muss auch er sie geben. Dann steht das Thema „oben auf der Agenda“, wie Jens Stoltenberg bereits angekündigt hat. Der Generalsekretär der Allianz selbst befürwortet den Beitritt.

Klar ist allen, dass das hoffentlich bald befriedete Land Sicherheitsgarantien braucht, damit es danach nicht erneut vom russischen Nachbarn angegriffen wird. Jene aus der Vergangenheit, allen voran das Budapester Memorandum von 1994, haben den im Februar vergangenen Jahres begonnenen Angriffskrieg nicht verhindern können.

Könnte sich Kiew auf Artikel des Nordatlantikvertrages berufen, der einen Angriff auf ein Mitglied als Angriff auf alle definiert und daraus eine Beistandspflicht ableitet, wäre das die maximal größte Abschreckung.

Es wäre auch die maximal größte Verpflichtung für Deutschland. Bei einem erneuten Überfall auf die Ukraine würden Waffenlieferungen nicht mehr genügen, dann müsste die Bundeswehr in Einsatz.

Absicherung gegen erneuten Angriff

Einerseits braucht Kiew Gewissheiten dieser Art, um sich überhaupt auf Friedensgespräche einlassen zu können. Ohne liefe jede Vereinbarung erneut Gefahr, das Papier nicht wert zu sein, auf dem sie steht.

Andererseits muss eine mögliche russische Reaktion, sofern sie sich überhaupt voraussehen lässt, ins Kalkül gezogen werden: Würde die Aussicht, die von ihm beanspruchte Einflusssphäre endgültig zu verlieren, Kremlchef Wladimir Putin dazu verleiten, seine Truppen noch verbissener als ohnehin schon kämpfen zu lassen? Oder würde er sich doch von der Entschlossenheit des Westen beeindrucken lassen?

Diese heikle Abwägung wird bald getroffen werden. Umso wichtiger wäre, dass auch in Berlin aller politischen Sensibilität zum Trotz offener diskutiert würde, worum es geht. Denn die Konsequenzen jedweder Entscheidung werden enorm sein - nicht nur für die Ukraine.

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