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Zum Gähnen? In Berlin sollen Bäder und Zoos nun zu Event-Orten werden.

© dpa

Neue Konzepte für Zoo und Bäder: Berlin wird zum Event

In Berlin sollen Bäder und Zoos zu Event-Orten werden – das nennt sich dann Politik. In Wirklichkeit geht es vor allem darum, dass die Politik die schlichte Substanzerhaltung nicht mehr durchsetzen kann.

Auf den ersten Blick mögen die beiden neuen Baustellen der Berliner Politik – Bäder sowie Zoo und Tierpark – nichts miteinander zu tun haben. Auf den zweiten Blick gibt es Parallelen im Streit um Bäderschließungen und den Hinauswurf des Zoo- und Tierpark-Chefs Bernhard Blaszkiewitz. Die Kriterien in der Rummelmetropole Berlin, Spaß und Eventfähigkeit, werden nun auf Orte angewandt, die früher mal dem Schwimmen und dem Turmspringen sowie dem Betrachten von Tieren gewidmet waren.

Das zeigt die jahrelang betriebene, nun vollendete Demontage des Zoo- und Tierpark-Chefs deutlich. Bis zur Aufsichtsratssitzung am Mittwoch konnte man sagen: Sieh mal an, in dieser großen Stadt gibt es sogar Zufluchten für Dinosaurier wie Blaszkiewitz: Leute, die das Wort Event „bekloppt“ und den Rummel um den von uns gegangenen Eisbären Knut fragwürdig finden. Zoos und Tierparks hätten, so sagte Blaszkiewitz vor Jahren, „Tiere auszustellen, denen es gut gehen soll, und Naturschutz zu betreiben“.

Dass diesem Blaszkiewitz die Gebote politischer Korrektheit nicht geläufig waren, versteht sich von selbst. Da hatte er sich doch tatsächlich vor ein paar Monaten dafür entschuldigen müssen, dass er eine „tiergärtnerische Bezeichnung“ benutzt hatte (das Kürzel 0,1), um in einem internen Papier das Geschlecht einer Mitarbeiterin zu beschreiben. Und war da nicht immer das Gefühl, dem Mann sei der Ost-Berliner Tierpark mit seiner Weite und seiner Sensationslosigkeit lieber als der prallvolle Zoo mit seinen depressiven Insassen? Nun, dann wirft man ihm eben vor, er habe nicht bloß die Bespaßungserfordernisse der Gegenwart verkannt, sondern auch Mobilitätsbedürfnisse: Elektrofahrzeuge statt Bollerwagen forderte – anonym – ein Mitglied der Zoostiftung.

Könnte Berlin Bäder-politisch von Brandenburg lernen?

Wer, bitte, geht denn heute noch zu Fuß – und schon gar von einem tierfreundlichen Großgehege zum anderen? Vielleicht findet der Dinosaurier Asyl in der Döberitzer Heide westlich von Berlin, wo die Sielmann-Stiftung sehr, sehr große Schaugehege für unspektakuläre Tiere wie Wisente eingerichtet hat. Man glaubt es nicht: Auch kleine Kinder laufen dort ein paar Kilometer weit und haben danach noch erheblich Spielplatzenergie.

Ob man in könnte, ist zu bezweifeln. Berlins Bäderchef Ole Bested Hensing hat in seiner Fundamentalkritik am laufenden Betrieb ebenfalls ahnen lassen, dass ihm das Berliner Angebot nicht spaßig genug erscheint. Hensing will einige Alt-Anstalten zu „Freizeitbädern“ hochrüsten, nach dem Motto: Ohne Horror-Rutsche geht gar nichts mehr. Der Sanierer des Tropical Island in Brandenburg hat hoffentlich nicht vergessen, dass diese Kunstwelt unter der Kuppel längst mit teuren Steuergeldern für andere Zwecke (Zeppelinproduktion!) gebaut worden war, bevor sie mit warmem Wasser zum Spaßbad geweiht wurde. Andere Brandenburger Wasserwelten leben davon, dass große Freiflächen neu bebaut – und beparkt – werden können.

Na klar: Infrastruktur sollte sich – auch – rechnen. Das gilt für Tierparks und für Bäder. Man wird aber den Eindruck nicht los, dass Bespaßungsdogmen als Konzeptersatz herhalten, weil die Politik in der Stadt die schlichte Pflege des Bestehenden, die Erhaltung der Substanz, nicht mehr durchsetzt.

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