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Sind die von Wikileaks jetzt enthüllten Geheimnisse wirklich von Rang? Das darf bezweifelt werden.

© dpa

Neue Wikileaksdokumente: Enthüllung ohne Wert

Wikileaks ist wieder da - diesen Eindruck möchte Julian Assange vermitteln. Dabei bringen die nun veröffentlichten Dokumente niemanden weiter. Das Leaken existiert derzeit nur noch als Idee. Leider!

Endlich, eine Enthüllung! Wikileaks-Gründer Julian Assange konnte diese Woche mal wieder auftrumpfen. Der gesammelte Email-Verkehr des privaten US-Nachrichtendienstes Stratfor soll belegen, mit welch fragwürdigen Methoden diese „Schatten-CIA“ operiert.

Allein, die Enthüllung ist gar keine. Dokumentiert wird lediglich, dass die Stratfor-Mitarbeiter die Weltlage aus der Perspektive von Amerikas Sicherheitsstrategen beschreiben und sich untereinander des zynisch-arroganten Jargons bedienen, wie er in diesen Kreisen üblich ist. Und natürlich gehört es zu diesem beschränkten Weltbild, dass sie die Heldentaten von Assange bei der Aufdeckung von Verbrechen der US-Armee im Irak als feindlichen Akt interpretierten und deshalb auf dessen Ergreifung drängten – welche Überraschung. Bisher habe der Stratfor-Coup ja wohl nur „popcorn value“, urteilte CCC-Sprecher Frank Rieger daher zu Recht. So liegt der Verdienst nur darin, ein wenig Aufmerksamkeit auf das Unternehmen zu lenken, das sich weltweiter Quellen rühmt, aber wenig mehr zu bieten hat, als eine Weltsicht durch die Brille amerikanischer Neocons.

Umso erstaunlicher ist, wie unkritisch Assanges „Partnermedien“, in Deutschland ist das der NDR, dessen Vorgaben folgen. Da wird etwa angeprangert, dass die Analysten von Stratfor sich gegenüber Informanten zuweilen nicht zu erkennen geben, gerade so, als ob Journalisten das nicht auch immer wieder täten. Erst recht problematisch ist, dass die Assange-Partner die Quelle gar nicht in Frage stellen. Schließlich hat hier nicht ein von seinem Gewissen getriebener Whistleblower geheime Dokumente „geleakt“, sondern Aktivisten, mutmaßlich von Anonymous, haben den Stratfor-Server gehackt und Assange ihren Fund überlassen. Nicht nur haben sie dabei mal eben die Kreditkartendaten von 75 000 Stratfor-Lesern ins Netz gestellt und Betrügern einen fetten Zusatzverdienst verschafft. Zudem nehmen sie billigend in Kauf, dass bei mangelnder Sorgfalt Assanges Namen und Adressen von Menschen publiziert werden, die aus völlig legitimen Gründen mit Stratfor Kontakt hatten. Man stelle sich nur mal vor, wenn auf gleichem Wege herauskäme, mit welch dubiosen Leuten die Journalisten vom NDR so alles im Emailkontakt stehen. Besser nicht!

So verstellt die Aktion den Blick auf den eigentlichen Missstand: Wikileaks, diese grandiose Idee, für die Assange ewiger Ruhm gebührt, ist mangels Infrastruktur schon seit einem Jahr nur mehr das: eine Idee. Und kein Ersatz ist in Sicht, weil für eine sichere, anonyme Datenübermittlung eine gut finanzierte und absolut glaubwürdige Organisation nötig ist, die von qualifizierten und integren Leuten geführt wird. Genau das aber hat Assange verhindert, weil ihm die narzisstische Befriedigung als gefeierter Märtyrer der Transparenz wichtiger war als der Aufbau einer soliden Struktur, die auch ohne ihren Gründer funktioniert. So wissen nach wie vor Tausende potenzieller Hinweisgeber nicht, wie sie ihre Dokumente veröffentlichen können, ohne sich der Verfolgung auszusetzen. Warum eigentlich ist die Netz-Community nicht in der Lage, das Projekt auf neuer Grundlage zu starten? Der Bedarf ist so groß wie eh und je.

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