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Nordkorea: Kim Jong Ils Nachfolger: Ganz der Vater

Niemand weiß, wohin das verarmte Nordkorea, das wahrscheinlich über Atomraketen verfügt, unter seinem unerfahrenen neuen Führer steuert. Doch es wird erkennbar, dass Kim Jong Un exakt den Weg seines verstorbenen, exzentrischen Vaters beschreitet.

Die nordkoreanische Propaganda hat alles versucht, um Kim Jong Un vor der sich abzeichnenden Machtübernahme zu stärken. Zuletzt hat sie das Geburtsdatum des unerfahrenen neuen Diktators um ein Jahr nach hinten verlegt. 1982 soll er nun geboren sein, damit wäre er ein Jahr älter und reifer, um das abgeschiedenste Land der Erde zu führen. Doch auch diese kleine Geschichtsfälschung hilft nun nichts mehr.

Nordkorea rutscht nach Kim Jong Ils Tod in eine Phase politischer Instabilität und versetzt damit die gesamte ostasiatische Region in Angst. Asiens Börsenkurse fallen, die südkoreanischen Truppen befinden sich in Alarmbereitschaft, Südkorea und Japan rufen eilig ihren jeweiligen Sicherheitsrat ein – niemand weiß, wohin das verarmte Nordkorea, das wahrscheinlich über Atomraketen verfügt, unter seinem unerfahrenen neuen Führer steuert.

Eine Richtung hat Kim Jong Un der Weltöffentlichkeit schon gezeigt: Er will allem Anschein nach nicht den politischen Reformweg eines Michail Gorbatschow oder den wirtschaftlichen Reformweg eines Deng Xiaoping einschlagen. Kim Jong Un hat vielmehr am Montag als erste Amtshandlung eine Kurzstreckenrakete in die Luft gefeuert. Damit beschreitet der Große Nachfolger exakt den Weg seines verstorbenen, exzentrischen Vaters. Kim Jong Il hatte in seinen letzten Jahren mit militärischen Provokationen und Nukleartests versucht, außenpolitische Zugeständnisse zu erpressen: Ein wahnwitziges Vabanquespiel, das die Region beinahe in den nächsten Koreakrieg gestürzt hätte.

Nun hängt die Stabilität Ostasiens davon ab, ob sich Kim Jong Un gegenüber den mächtigen Militärs in Nordkorea behaupten kann. Sein Vater hatte noch versucht, seine Stellung durch die Ernennung zum Viersternegeneral zu stärken. Noch entscheidender für Kim Jong Un und die Stabilität Nordkoreas wird allerdings die Unterstützung Chinas sein. Das wusste auch Kim Jong Il, weshalb er nach seinem Schlaganfall im Jahr 2008 gleich viermal ins Reich der Mitte fuhr, um wirtschaftliche Unterstützung zu erhalten und seine Nachfolge zu regeln. Und das trotz seiner ausgewiesenen Reiseunlust.

Für China wiederum spielt Nordkorea eine wichtige geostrategische Rolle: Der sozialistische Bruderstaat dient als Pufferzone zwischen dem eigenen Territorium und Südkorea mit den 25.000 dort stationierten US-Soldaten. Ein Zusammenbruch Nordkoreas und die Aussicht, dass Südkoreas Verbündete dann an der eigenen Grenze stünden, gilt für Chinas Militär seit langem als Szenario des Schreckens. Schon im Koreakrieg 1950 bis 1953 hatte Mao Zedong Nordkorea deshalb militärisch unterstützt. Nun betonten beide Seiten bei Kim Jong Ils letztem Chinabesuch im Mai, dass ihre „mit Blut besiegelte Allianz“ an die jeweiligen Nachfolger übergehen werde. Doch in China steht im Herbst 2012 ebenfalls ein Führungswechsel bevor, Xi Jinping wird Hu Jintao als Generalsekretär der Kommunistischen Partei nachfolgen. Noch ein Machtwechsel, der der Region Unsicherheit bescheren dürfte.

Zudem ist Nordkorea wirtschaftlich eine Belastung für China. Zum einen torpedieren die zahlreichen Konflikte, die sich aus der Allianz ergeben, die Handelsbeziehung zum Wirtschaftspartner Südkorea; zum anderen muss China die erfolglose Planwirtschaft Nordkoreas subventionieren. Auch haben dessen militärische Provokationen die Chinesen immer wieder in Schwierigkeiten gebracht. Offiziell hat China zwar die Zuversicht ausgedrückt, dass Nordkorea geeint bleibe und die erfolgreiche Zusammenarbeit fortgesetzt werde. Inoffiziell dürfte das Reich der Mitte versuchen, Nordkorea und dessen jungen Führer noch weiter unter seinen Einfluss zu bringen.

Dieser dürfte es seinem Vater nachmachen, schließlich besitzt Kim Jong Un einen nicht unbedeutenden persönlichen Grund, von politischen und wirtschaftlichen Reformen Abstand zu nehmen: Sie würden sein Vermögen gefährden. Die Familie Kim bereichert sich seit mehr als 60 Jahren an dem ausgehungerten Land. Ein Ende ist immer noch nicht in Sicht.

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