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Notopfer Berlin: Insel zu verkaufen

Auf einmal steht Berlin in Deutschland wieder so ähnlich da wie Griechenland in Europa, als verschwenderischer, fauler und ein bisschen auch asozialer Nachbar, der zwar gerettet wird, zähneknirschend, aber nur um den Preis seiner Haushaltskapitulation.

Vor ein paar Jahren war Wolfgang Schäuble als Regierender Bürgermeister Berlins im Gespräch – kann gut sein, dass er es jetzt doch noch wird, bald schon, im Herbst. Schäuble muss dazu nicht einmal kandidieren, es reichte schon, wenn der Senat bis dahin einfach so weitermacht wie bisher. Dann wäre es ziemlich egal, wer die Wahl im September gewinnt. Die Politik Berlins bestimmten dann weitgehend die anderen Länder und der Bund, allen voran: Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Bis zum Oktober müssen das Saarland, Bremen, Schleswig-Holstein und eben Berlin Sanierungsprogramme für ihre Finanzen vorlegen, sonst droht ihnen eine Finanzaufsicht, quasi die haushaltspolitische Entmündigung. Der Spielraum für eigenständiges Handeln wäre dahin. Berlin trifft diese Entscheidung des Stabilitätsrates, der die Schuldengrenzen bewacht, mitten im Wahlkampf – und nach einer Dekade, die weitgehend im Zeichen des Sparens stand. Erst nach dem Abgang Thilo Sarrazins, der die Stadt als Finanzsenator jahrelang gequält hat mit seinen Klarsichtfolien, die belegen sollten, um wie viel besser es Berlin im Vergleich zu anderen noch immer ging, machte sich der Senat langsam locker. Es wurde darüber gesprochen, das Geld, das man nicht hat, in eine neue Landesbibliothek, in den Rückkauf der Wasserbetriebe und in die Übernahme der S-Bahn zu stecken.

Und auf einmal steht Berlin in Deutschland wieder so ähnlich da wie Griechenland in Europa, als verschwenderischer, fauler und ein bisschen auch asozialer Nachbar, der zwar gerettet wird, zähneknirschend, aber nur um den Preis seiner Haushaltskapitulation. Die Griechen sollen ihre schönen Inseln verkaufen, um an frisches Geld zu kommen, wird gefordert. Was soll Berlin noch machen nach dem Verkauf von Wohnungen und Stadtbetrieben, nach der Schrumpfkur des Öffentlichen Dienstes, nachdem Privilegien gestrichen und Gebühren – von denen für Kitas einmal abgesehen – erhöht worden sind? Schwanenwerder anbieten? Ist schon in Privateigentum. Die Pfaueninsel? Gehört der Stiftung Schlösser und Gärten. Reiherwerder? Hält Außenminister Westerwelle besetzt. Und jetzt?

Ganz Berlin war eine Insel, es muss daran noch einmal erinnert werden, in Ost wie West wirtschaftlich ausgeblutet und nur künstlich am Leben erhalten. Nicht alle finanziellen Probleme von heute lassen sich darauf zurückführen, aber mittelbar haben die hohen Schulden von 62 Milliarden Euro damit durchaus zu tun. Die finanzielle Gesundung Berlins wird nicht erreicht durch dessen finale Erdrosselung, sondern allenfalls durch eine geringere Zinsbelastung und höhere Einnahmen, durch eine wachsende Wirtschaft. Ulrich Nußbaum, Sarrazins politischer Erbe, mag als Finanzminister bisher kein großer Wurf gelungen sein; aber womit soll er auch groß werfen? Reserven gibt es noch, das wird niemand bestreiten. Aber sie werden nicht reichen, um die Altschulden loszuwerden. Das wissen auch diejenigen, die mit harten Maßnahmen drohen. Die Notlage, die sie kommen sehen, ist tatsächlich längst eingetreten. Nur soll die Konsequenz, die Hilfe zur Entschuldung, so lange wie möglich hinausgezögert werden.

So gerät Klaus Wowereit mitten im Wahlkampf in die Defensive. Sein Finanzsenator sagt, Berlin sei bereit, sich einem harten Sanierungsprogramm zu unterwerfen. Entweder unterwirft sich Wowereit mit, dann verliert er vielleicht die Wahl. Oder er unterwirft sich nicht, dann verliert er ganz sicher die Wahl – und zwar an Wolfgang Schäuble.

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