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Meinung: Nur im Einzelfall sinnvoll

„Droge auf Krankenschein“ vom 5. Mai 2006 Zu dem Artikel möchte ich aus Sicht der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft kurz Stellung nehmen: Die Darstellung des Autors erscheint mir missverständlich, da der Eindruck entstehen könnte, Heroin sei nur aufgrund seiner Distribution auf dem Drogenmarkt eine gefährliche Substanz, und die ärztlich überwachte Substitution mit Heroin werde womöglich auf breiter Ebene die bisher geübte Methadon-Substitution ablösen.

„Droge auf Krankenschein“

vom 5. Mai 2006

Zu dem Artikel möchte ich aus Sicht der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft kurz Stellung nehmen: Die Darstellung des Autors erscheint mir missverständlich, da der Eindruck entstehen könnte, Heroin sei nur aufgrund seiner Distribution auf dem Drogenmarkt eine gefährliche Substanz, und die ärztlich überwachte Substitution mit Heroin werde womöglich auf breiter Ebene die bisher geübte Methadon-Substitution ablösen.

Heroin ist aber nun keineswegs nur aus „politischen“ sondern durchaus auch aus medizinischen Erwägungen aus dem „Arzneischatz“ gestrichen worden: Im Gegensatz zu anderen Opiaten erzeugt seine schnelle Anflutung im Gehirn eine besonders starke Euphorie, eben den gewünschten „Kick“, und ist die Ursache seines besonders hohen Suchtpotenzials.

Das Modellvorhaben der Bundesrepublik, das ich über viele Jahre für die Bundesärztekammer wissenschaftlich begleitet habe, hat in der Tat sehr starke Hinweise ergeben, dass im Einzelfall (!) bei sehr schwieriger Suchtkarriere eine Therapieergänzung im Sinne einer heroinassistierten Substitutionstherapie sinnvoll sein kann. Jedoch gelingt nur einem Teil der Suchtkranken durch Heroinassistenz die Resozialisierung. Erfolgreiche Suchttherapie ist nicht allein pharmakologisch möglich. Man sollte sich nichts vormachen: Die heroinassistierte Substitutionstherapie bedeutet eine Abwendung vom Abstinenzparadigma.

Ein Fachmitglied der Arneimittelkommission formulierte es so: „Wer täglich bis zu etwa 1000 Milligramm Heroin injizieren darf (entsprechend dem zehn- bis 50-fachen einer intravenösen Morphingabe zur Schmerzbehandlung), ist zwar nicht mehr hungrig, wird aber auch kaum Anstrengungen zur Abstinenz unternehmen.“ Nur die ungünstigsten Verläufe der etablierten Methadon-Substitutionstherapie können deshalb eine Heroinsubstitution rechtfertigen.

Die Bundesärztekammer, die das Modellprojekt unterstützt hat, wird entsprechende Behandlungsleitlinien schaffen, die für vermutlich nicht mehr als 1500 Schwerstsuchtkranke gelten werden. Insbesondere müssen klare Kriterien für den notwendigen Abbruch einer heroinassistierten Substitutionstherapie erstellt werden – auch wenn aufgrund des Drucks der Kommunen hierfür kein expliziter politischer Wille derzeit vorausgesetzt werden kann.

Prof. Dr. Müller-Oerlinghausen,

Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Berlin

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