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Obamas Türkei-Besuch: Auf der großen Bühne

Obamas Besuch in der Türkei unterstreicht die wachsende Bedeutung des Landes, meint Thomas Seibert.

US-Präsident Barack Obama fordert die Aufnahme der Türkei in die EU und unterstreicht die strategische Bedeutung des Verbündeten am Bosporus mit einem zweitägigen Besuch in Ankara und Istanbul. Unterdessen bringt die Türkei ihre Nato-Verbündeten in Bedrängnis, indem sie sich gegen die Ernennung von Anders Fogh Rasmussen zum neuen Generalsekretär sträubt und sich dann ihre Zustimmung mit politischen Zugeständnissen abkaufen lässt. In der türkischen Hauptstadt setzen sich die Präsidenten von Afghanistan und Pakistan zu Gesprächen über Sicherheitsfragen an einen Tisch.

Diese Ereignisse spiegeln eine neue Realität wider. Auch wenn es vielen westeuropäischen Staaten nicht passt: Die Türkei baut ihre politische Rolle auf der internationalen Bühne systematisch aus. So gilt Obamas Besuch nicht nur der Türkei an sich. Der amerikanische Präsident verdeutlicht damit auch, dass ihm an guten Beziehungen zur islamischen Welt gelegen ist. Unter der fromm-konservativen Regierung Erdogan hat die muslimisch, aber säkular strukturierte Türkei eine Führungsrolle in der islamischen Welt übernommen.

Die türkisch-amerikanischen Beziehungen sind keineswegs problemfrei. Doch offenbar ist die Obama-Regierung entschlossen, sich von diesen Differenzen nicht von dem Ziel abbringen zu lassen, die Türkei möglichst eng an sich und den Westen zu binden. Das überrascht nicht: In den vergangenen Jahren betätigte sich die Türkei als Vermittlerin im Nahen Osten und verbesserte ihre Beziehungen zu so schwierigen – aber wichtigen – Nachbarländern wie Iran und Syrien. Heute kann die Türkei mit Ländern und Gruppen sprechen, die für andere westliche Nationen weniger zugänglich sind.

Mit ihrem starken Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre erwarb sich die Türkei einen Platz am Tisch der 20 größten Volkswirtschaften der Welt. Im UN-Sicherheitsrat sitzt sie derzeit ebenfalls. Zudem ist sie dabei, ihr Territorium zu einem Drehkreuz für die Energieversorgung des Westens zu machen. Die Zeiten, in denen die Türkei ihre Außenpolitik von dem Motto „Was werden die anderen Länder bloß sagen?“ leiten lasse, seien vorbei, betont Erdogan. Das ist für die Außenwelt nicht immer angenehm. Auch leitet sich aus dem gewachsenen türkischen Einfluss in der Region nicht automatisch ein Anrecht Ankaras auf Mitgliedschaft in der EU ab, wie Erdogan das hin und wieder suggeriert.

Doch dass die Türkei international politisch stärker ist als noch vor fünf Jahren, ist eine Tatsache, die zwar von den USA erkannt wurde, bisher aber nicht von der EU. Dabei ist diese Entwicklung wichtig für Europa. Denn Einfluss und Interessen der Türkei in anderen Regionen haben zur Folge, dass die Rolle Europas in der Außenpolitik Ankaras relativ gesehen abnimmt. Deshalb schwinden die Möglichkeiten der Europäer, mit Verweis auf die EU-Beitrittsgespräche Einfluss auf die Türkei zu nehmen. Das betrifft das Zypern-Problem ebenso wie das Verhalten der Türkei in der Nato.

Mittelfristig könnte der Einflussverlust der EU dazu führen, dass der türkische EU-Beitrittsprozess zu einer reinen Formalie wird, die von beiden Seiten nur noch halbherzig betrieben wird. Sollte es so kommen, wären die Europäer die unangenehme Frage los, ob sie die Türkei wirklich in die EU aufnehmen wollen. Auf eines aber sollte die EU nicht hoffen: dass sie auf der internationalen Bühne die Türkei ignorieren kann.

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