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Ölindustrie: Es donnert bei BP

Der BP-Konzern tauscht den Chef aus. Tony Hayward soll künftig ein britisch-russisches Joint Venture leiten und wird nach Moskau abgeschoben. Der Fall zeigt: Öffentliche Kontrolle wirkt.

Das war es nun, das reinigende Gewitter über BP. Auf einen Donnerschlag hat der britische Ölkonzern Milliardenbeträge wegen der Ölpest abgeschrieben und den Chef abgesägt. Über Monate hatte sich der Druck aufgebaut, durch Politik, Presse und Aktionäre. Es wurde immer schwüler mit jedem öffentlichen Satz, den der ungelenke BP-Chef Tony Hayward sagte. Jeder merkte: Da braut sich was zusammen, bald knallt es.

Jetzt ist es raus: Der Verwaltungsrat schiebt den einst gefeierten Hayward im Oktober nach Moskau ab, wo er ein britisch-russisches Joint Venture leiten soll. Ein symbolischer Akt, der vor allem den Amerikanern gefallen soll. Dort klingt Russland noch immer ein bisschen wie Verbannung. An Haywards Stelle rückt der krisenerprobte Bob Dudley aus Mississippi, ein bescheiden auftretender Mann, der seine Jugendferien oft an der heute verschmutzten Golfküste verbrachte. Dudley spricht Südstaatenenglisch, die Sprache der betroffenen Region. Er ist die letzte Rettung für den Konzern, der etwa 40 Prozent seines Geschäftes in den USA erwirtschaftet und etwa zu 40 Prozent in Händen amerikanischer Aktionäre liegt.

Man muss dem Neuen Glück wünschen. Denn bei aller spontanen Schadenfreude, die man beim Straucheln eines multinationalen Konzerns empfinden mag, der mit so etwas Schmutzigem wie Öl handelt: Ein Scheitern, eine theoretisch mögliche Zerschlagung von BP durch Obamas Regierung würde niemandem helfen. Auch den Menschen an der Golfküste nicht. Sie werden wohl noch Jahrzehntelang einen klar identifizierbaren Verantwortlichen brauchen, den sie zur Rechenschaft ziehen, den sie notfalls mit juristischer Hilfe zwingen können, für die Folgeschäden aufzukommen.

Für viele wäre BPs Scheitern gar ein Drama: Für den britischen Staat, da der Konzern ein großer Steuerzahler ist und überdies weiter Teile der nationalen Energieinfrastruktur verwaltet. Gerieten alle Gas- und Stromleitungen in die Hände einer diffusen Holding, verlöre die Regierung womöglich auch die letzte Kontrolle über Strom- und Gaspreise. Pensionsfonds haben die bisher als sicher geltenden BP-Aktien im Depot, um Arbeitnehmer damit im Alter abzusichern – nicht nur britische.

Ja, BP wird zahlen müssen. Und das Gewitter von gestern hat auch noch keine völlige Entladung gebracht. Es wird noch ein paar Mal kräftig donnern. Und doch wirkt es schon. Der Fall BP hat trotz allem etwas Beruhigendes: Wir lernen, dass öffentliche Kontrolle wirkt. Der Druck, aufgebaut durch Behörden, Medien, Bürger und Aktionäre, die mit dem Imageschaden den Kurs ihrer Aktie schmelzen sehen, zeigt unmittelbar Wirkung.

Fast 80 Prozent der Ölvorkommen aber werden von staatlichen Gesellschaften ausgebeutet. In Saudi-Arabien, Russland oder Venezuela entscheidet eine kleine, nicht rechenschaftspflichtige Elite, was mit dem Öl geschieht. Und die entscheidet auch, ob überhaupt jemand entschädigt wird, sollte denn einmal etwas schiefgehen. Dann doch lieber BP.

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