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Meinung: Ohne Recht, ohne Strafe

Dieser Krieg ist illegal. Doch Bush kommt vor kein Gericht – und Schröder auch nicht

Der Chor in der Koalition ist überraschend vielstimmig. Der Irak-Krieg sei falsch und nicht gerechtfertigt, sagt der Kanzler, hütet sich aber vor den Worten „rechtswidrig“ und „Angriffskrieg“. Der Außenminister hält es für möglich, dass die vorliegenden UN-Resolutionen Amerika eine ausreichende völkerrechtliche Grundlage bieten. Das bestreiten ganz vehement linke Rote wie Grüne. Hans-Christian Ströbele nennt die Hilfszusagen der Bundesregierung verfassungswidrig.

Bei der deutschen Justiz laufen Anzeigen ein, die der Bundesregierung vorwerfen, gegen Artikel 26, Grundgesetz, und Paragraph 80, Strafgesetzbuch, zu verstoßen: Sie trage zu einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg bei, wenn die USA den Luftraum und ihre Basen hier beim Angriff auf den Irak nutzen dürfen, die Bundeswehr US-Kasernen bewache und so GIs für den Krieg freistelle, wenn deutsche Soldaten sich an der Awacs-Luftraumüberwachung beteiligen und die Spürpanzer in Kuwait bleiben.

Dennoch werden sich wohl weder George W. Bush noch Gerhard Schröder vor Gericht verantworten müssen. Nicht weil die politischen Machtverhältnisse so sind. Sondern weil die juristische Handhabe fehlt. Wie das? Ist es nicht offenkundig, dass eine klare völkerrechtliche Grundlage fehlt? Bush und seine Alliierten handeln ohne die erforderliche Autorisierung zur Gewalt durch den Sicherheitsrat, ja sogar gegen den erklärten Willen der Mehrheit. Dieser Krieg ist illegal, ist die überwiegende Meinung der Völkerrechtler. Nur eine Minderheit argumentiert, die UN-Resolutionen der letzten zwölf Jahre reichten in Kombination mit dem unbestrittenen Faktum, dass der Irak nicht alle Forderungen erfüllt hat, als Rechtsgrundlage aus.

Doch so einfach und direkt funktioniert das Völkerrecht nicht, dass automatisch strafbar wäre, was illegal ist. Auch die nationale Rechtsprechung über politisches Handeln stößt auf Gesetzeslücken.

In den USA haben Kriegsgegner versucht, Bush gerichtlich zu stoppen. Sie wurden abgewiesen. Ob Bush in den Krieg ziehe, sei eine politische, keine juristische Frage. Mit einem Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) muss er auch nicht rechnen. Das müsste der Kongress beschließen. Der hat aber mit großer Mehrheit die Kriegspläne gebilligt. Und der neue Internationale Strafgerichtshof? Amerika hat das Statut nicht unterzeichnet. Selbst wenn es das täte: Dieses Gericht ist nur dort zuständig, wo keine nationale Justiz Verstöße gegen das Kriegsrecht verfolgt. Amerika gilt als Rechtsstaat. Zudem hat sich der Strafgerichtshof noch auf keine Definition für einen rechtswidrigen Angriff geeinigt.

Die fehlt auch in deutschen Gesetzen. Anzeigen kann den Kanzler jeder. Allein der Generalbundesanwalt entscheidet, ob er ein Verfahren eröffnet. In den Kriegen um Kosovo und Afghanistan hat er das abgelehnt. Dagegen lässt sich kein Gericht anrufen.

Bleiben zwei indirekte Wege zur rechtlichen Überprüfung deutscher Hilfsdienste. Ein Bundeswehrsoldat (Awacs, „Füchse“) könnte den Befehl mit der Begründung „rechtswidriger Krieg“ verweigern. Ein solches Verfahren ist aus Kosovo anhängig, aber nicht rechtskräftig entschieden. Und: Bundestagsfraktionen können das Verfassungsgericht anrufen, ob Parlamentsbeschlüsse erforderlich sind. Dann könnte auch des Kanzlers Verweis auf Bündnispflichten wackeln. Falls die Richter einen Angriff von türkischem Gebiet aus für illegal hielten, fiele die Verteidigung der Türkei nicht mehr automatisch unter Bündnisschutz. Dann dürfte die Bundesregierung nicht helfen.

Was aber alles nichts daran ändert: Schuldig machen sich Bush und Schröder vielleicht, strafbar nicht.

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