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Meinung: Palavern bis zum Frieden

Die Welt kann die Hungernden nicht retten – aber die Flüchtlinge aus Somalia versorgen

Reisen bildet. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat im Flüchtlingslager Dadaab im Norden Kenias erkannt, dass nur eine „politische Lösung“ des Bürgerkriegs in Somalia den Flüchtlingsstrom aus dem Nachbarland stoppen kann. Nur wie so eine „politische Lösung“ aussehen könnte, weiß Niebel so wenig wie der Rest der Welt. Weshalb er auch nichts dazu zu sagen wusste.

1991 wurde die Diktatur von Siad Barre in Mogadischu gestürzt. Seither hatte Somalia keine Zentralregierung mehr. Direkt nach Barres Sturz haben sich im Norden zwei Regionen selbstständig gemacht: Somaliland und Puntland. Beide Territorien zeichnen sich durch eine relative Stabilität aus.

In Südsomalia dagegen, wo 1992 eine katastrophale Hungersnot mit zehntausenden Toten die „Hilfe“ der westlichen Länder herausgefordert hat, herrscht seit 20 Jahren Bürgerkrieg. 2009 wurde Scheich Scharif Scheich Ahmed zum Präsidenten der international anerkannten Übergangsregierung erklärt. Knapp 10 000 Soldaten aus Uganda und Burundi schützen als Friedenstruppe der Afrikanischen Union die Regierung und liefern sich seit zwei Jahren Gefechte mit der Al-Shabbab-Miliz. Fast der gesamte Süden Somalias wird von den Al-Shabbab-Milizen beherrscht, die dort ein grotesk strenges islamistisches Regime errichtet haben, ganz gegen die religiöse Praxis in Somalia. Nun wurden sie aus der Hauptstadt Mogadischu vertrieben.

Friedensinitiativen gab es seit 1991 unzählige, Machtteilungsversuche inklusive. Eine „politische Lösung“ kann also nicht in einer „humanitären Intervention“ bestehen, um rund 3,7 Millionen Somalier vor dem Hungertod zu retten. Das ging 1992 schon schief und kein Land über Uganda und Burundi hinaus ist bereit, Soldaten nach Somalia zu schicken. Es ist die traurige Wahrheit, dass die Welt für diese 3,7 Millionen Menschen derzeit nichts tun kann.

Deshalb sollte Nahrungsmittelhilfe dort eingesetzt werden, wo Hilfe möglich ist: In Dadaab, wo 400 000 somalische Flüchtlinge leben, in Dolo Ado in Äthiopien, wo mittlerweile 125 000 somalische Flüchtlinge angekommen sind, und in Mogadischu, wo mehr als 100 000 Flüchtlinge aus Südsomalia ums Überleben kämpfen. Der Versuch, Südsomalia mit Lebensmittelhilfe zu versorgen, ist ehrenwert, aber hilft nicht. Das Institut für Sicherheitsstudien (ISS), ein afrikanischer Thinktank berichtet, dass rund die Hälfte der gelieferten Waren verschwindet und auf somalischen Märkten wieder auftaucht. Al Shabbab hat schon früher von Helfern „Steuern“ verlangt, treibt von den Bürgern gnadenlos Abgaben ein und lebt im Übrigen von Auslandsüberweisungen.

Eine politische Lösung für Somalia braucht Zeit, Geduld und die Bereitschaft, sich auf die komplizierten Verhältnisse einzulassen. Was der Westen tun kann, ist mit Exil-Somaliern ins Gespräch zu kommen. Wenn sie den Geldhahn für Al Shabbab zudrehen, schwächt das die Islamisten. Und dann muss geredet werden, nicht nur auf einem einmaligen Friedensgipfel, sondern womöglich jahrelang. Dabei könnte eine „politische Lösung“ für Somalia herauskommen.

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