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Pflegereform: Mitfühlpolitik

Der Gesundheitsminister will einen Dialog über die Altenpflege, die Union hat schon mal alle Probleme in einem Eckpunktpapier aufgelistet. Doch die Regierung bietet weder Lösungen, noch will sie Geld ausgeben.

Respekt. Nach jahrzehntelanger Missstandsdebatte hat auch die schwarz-gelbe Regierung erkannt, dass es bei der Pflege alter Menschen in unserem Land Probleme gibt. Der Gesundheitsminister bespricht diese nun in lockerem „Dialog“ mit Verbandsvertretern, und die Union hat sie sogar aufgeschrieben. „Eckpunkte für eine Pflegereform 2011“, heißt ihr Papier. „Menschlich, bedarfsgerecht, zukunftsfest“. Klingt doch gut.

Auch bei näherem Hinsehen ist alles drin in der Aufzählung. Das Problem mit den Demenzkranken, die trotz 24-Stunden-Betreuung bisher nicht als pflegebedürftig gelten. Die überlasteten Angehörigen, die sich selbst krank pflegen, weil ihnen keiner hilft. Die ausgebrannten Profis, die sich nun über 7,50 beziehungsweise 8,50 Euro Mindestlohn (Ost/West) zu freuen haben und ihren Job im Schnitt nach acht Jahren quittieren. Der Wertverfall der Pflegeleistungen, die – weil keiner an den Inflationsausgleich gedacht hat – für immer weniger reichen. Die nach wie vor ungenügenden Qualitätskontrollen. Die vieltausendfache, illegale Beschäftigung ausländischer Pflegehelfer, von der alle wissen und niemand etwas wissen will.

War da noch was? Ach ja, die Problembehebung. Leider fehlt in all den Erkenntnisnachweisen eine klitzekleine Sache: der Hinweis, wie man die Wünsche zu realisieren gedenkt. Philipp Rösler, der neue Sachwalter eines mitfühlenden Liberalismus, hat ihn bisher ausgespart. Und dies zum Prinzip erklärt. Erst wird über den Bedarf gesprochen, dann übers Geld. Das hat Raffinesse. Es lässt ihn zumindest eine Schonfrist lang als durchaus einsichtigen und sozialen Politiker erscheinen, nach dem Motto: „Wenn man mich nur ließe.“ Und es könnte auch der Sache dienen. Womöglich wächst mit der ausgiebigen Präsentation des Überfälligen in Gesellschaft und eigener Partei ja die Bereitschaft, dafür auch das Nötige zu investieren.

Allerdings spricht dafür momentan wenig. CSU-Chef Horst Seehofer hat seine Berliner Experten, die höhere Beiträge für unvermeidlich erklärt hatten, bereits zurückgepfiffen. Und Röslers Parteifreunde denken schon gar nicht daran, die FDP zur Abgabenerhöhungspartei werden zu lassen. Für die Pflege noch weniger Netto vom Brutto, und das nicht nur vorangetrieben und vollzogen durch einen der ihren, sondern vom künftigen Parteichef höchstselbst? Undenkbar.

Manche haben es als Chance beschrieben, dass sich künftig ein Parteivorsitzender um die Kranken- und Pflegeversicherung kümmert. Es ist wohl eher andersherum. Dem Gesundheitsminister Rösler, der auch mal parteifremde Wege gehen könnte, kommt der FDP- Chef Rösler in die Quere.

Die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen aber haben nichts von einem Spitzenpolitiker, der nur das „Mitfühlen“ propagiert. Sie brauchen einen, der handelt. Was zu tun ist, wissen die Praktiker seit Jahren. Und eine Pflegereform, die nichts kostet, ist nichts wert.

Rösler hat das „Jahr der Pflege“ ausgerufen. Leider steht zu vermuten, dass es vor allem eines wird: das Jahr der verpassten Chancen.

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