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Meinung: Platz des Campers

Der Finanzminister will kein Geld fürs Schloss geben

Es ist Zeit für eine neue Agenda, nennen wir sie einfach mal zwanzighundert: 2100. Ungefähr dann könnte nach derzeitigem Stand der Dinge mit dem Bau des Berliner Stadtschlosses begonnen werden; es ist aber auch möglich, dass es noch länger dauert. Eine gute Nachricht für die italienischen Camper, die im Sommer gerne ihre Wohnmobile vor dem Palast der Republik parken. Eine schlechte Nachricht für – ja, für wen eigentlich?

Es sieht ganz so aus, als müsste jetzt erst mal wieder ganz grundsätzlich darüber gesprochen werden, wie und was und wer hier und so weiter. Der Finanzminister mag sich nicht mehr an den Bundestagsbeschluss halten, demzufolge 80 Prozent der Flächen öffentlich genutzt werden sollen, zum Beispiel als Museum und Bibliothek, weil das den Bund 600 Millionen Euro kosten würde. Das Ministerium schlägt stattdessen vor, 80 Prozent kommerziell zu nutzen – und tut damit so, als hätte es all die Jahre nicht gegeben, in denen diskutiert und geträumt, ent- und verworfen wurde, an deren Ende sich eine hochrangig besetzte Kommission schließlich zu einer Entscheidung durchringen konnte, die der Bundestag für gut befand: Das Schloss als öffentliches Gebäude mit drei historischen Fassaden zu errichten.

Es war ein mutiger und zugleich feiger Beschluss. Mutig, weil die Abgeordneten ihren Wählern ja zwangsläufig erklären müssten, warum sie ihnen einerseits immer mehr Geld abknöpfen, um es andererseits ausgerechnet in ein Schloss zu stecken. Feige, weil sie sich hinter einer Expertenkommission versteckten, deren Subtitel „Historische Mitte“ von Beginn an verriet, wozu sie raten würde.

Deswegen ist es vielleicht ganz gut, wenn noch ein paar Sommer lang auf dem Platz, auf dem nach Meinung mancher Parlamentarier „richtiger Kommerz unwürdig“ wäre, falscher Klimbim in Form von Wohnmobilen und Kabarettzelten zu beobachten ist. Womöglich ist das Land ja zurzeit zu aufgeregt und zu abgelenkt, um sich um einen Platz zu kümmern, auf dem die einen gerne ein Fünf-Sterne-Hotel sehen würden und die anderen eine neue Heimstatt für gesammelte Indianerkanus. Deutschland hat sein Verhältnis zur Hauptstadt noch immer nicht definiert. Erst wenn das geschehen ist, wird es sich ehrlicher und wirksamer reden lassen über Fassaden und Funktionen an diesem ideologisch überfrachteten Ort.

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