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PORTRÄT FLORENCIO CHICOTE BUNDESGESCHÄFTSFÜHRER:: „Ich bin dabei, Türkisch zu lernen“

Wenn es stimmt, dass Totgesagte länger leben, dann ist der Multikulturalismus eine besonders muntere Leiche. Jetzt wirkt er sogar auf seine Protagonisten zurück: Die Türkische Gemeinde Deutschland (TGD) hat am Wochenende einen neuen Bundesgeschäftsführer ernannt, und zum ersten Mal trägt er keinen türkischen Namen: Florencio Chicote werde „die Arbeit der TGD bereichern“, heißt es in der Presseerklärung des Verbands, der mit erkennbarem Augenzwinkern hinzufügt, man erfülle „mit der Benennung eines spanischstämmigen Berliners die an deutsche Organisationen gerichtete Forderung nach interkultureller Öffnung selbst“.

Wenn es stimmt, dass Totgesagte länger leben, dann ist der Multikulturalismus eine besonders muntere Leiche. Jetzt wirkt er sogar auf seine Protagonisten zurück: Die Türkische Gemeinde Deutschland (TGD) hat am Wochenende einen neuen Bundesgeschäftsführer ernannt, und zum ersten Mal trägt er keinen türkischen Namen: Florencio Chicote werde „die Arbeit der TGD bereichern“, heißt es in der Presseerklärung des Verbands, der mit erkennbarem Augenzwinkern hinzufügt, man erfülle „mit der Benennung eines spanischstämmigen Berliners die an deutsche Organisationen gerichtete Forderung nach interkultureller Öffnung selbst“.

Ein Spanier für die türkische Gemeinde, das ist womöglich nur auf den ersten Blick kurios. Auf den zweiten unterscheidet den neuen Verbandsmanagers biografisch kaum etwas von den meisten Menschen, für die er arbeiten wird: Der 34-jährige Diplom-Psychologe Chicote ist Migrant der zweiten Generation, auch er Sohn von Eltern, die in den 60er Jahren nach Deutschland zogen, weil sie dort mehr Zukunft für sich sahen als in Spanien, und die mit dem Geld, das sie in einer baden-württembergischen Metallfabrik verdienten, ihre Familien in Galicien und Kastilien unterstützten.

Der Sohn Florencio wurde 1973 in Geislingen bei Ulm geboren und studierte Psychologie an der Universität Konstanz. Seit 2001 lebt und arbeitet er in Berlin, zunächst für eine Unternehmens- und Personalberatung, seit fünf Jahren beim Türkischen Bund, der Berlin-Brandenburger Organisation der Türkischstämmigen. Interkulturelle Öffnung, sagt Chicote, sei für ihn eine Frage der Menschenrechte. Es dürfe nicht sein, dass Menschen vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen oder an den Rand gedrängt werden, nur weil sie die „falsche“ Herkunft, Sprache, sexuelle Orientierung oder Religion haben. Entscheidend sei, wie eine Gesellschaft mit ihrem menschlichen Reichtum umgehe: „Da werden Ressourcen nicht genutzt, nur weil Vorurteile und Stereotypen verhindern, dass ein Bewerber überhaupt angeguckt wird“.

Chicote, der nach einer ersten Adresse in Prenzlauer Berg seit Jahren begeisterter Kreuzberger ist, erweitert seine eigenen kulturellen Möglichkeiten derzeit noch weiter: Er überlegt, zum spanischen auch den deutschen Pass zu beantragen. Und er lernt Türkisch. Bisher, sagt er lachend, kennt er „nur die überlebensnotwendigen Sätze“. Im neuen Job wird es etwas mehr sein müssen. Andrea Dernbach

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