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PORTRÄT: Gerhard Besier: „Die Linke ist offener, als ich vermutet habe“

Ein früherer Berater von Helmut Kohl kandidiert jetzt für die Linkspartei in Sachsen. Zuletzt gab es nur noch wenige Übertritte ins Lager der Linken - und schon gar nicht fragte Prominenz aus dem konservativen Lager an.

Von Matthias Meisner

Er hat das Zeug, zum schrägen Vogel innerhalb der Linken zu werden. Mit Gerhard Besier hat sich einer der Partei angeschlossen, dessen Engagement vor dem Hintergrund seiner Biografie überraschen muss. Als erzkonservativ wurde der frühere Heidelberger Historiker und Theologe einst verortet, er gehörte mal zum Beraterkreis von Helmut Kohl, und angesichts seines Lebenslaufs berief ihn die CDU-Landesregierung in Sachsen zum Direktor an das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung – ein Posten, den er bis 2007 innehatte.

Die Trennung verlief damals nicht im Einvernehmen. Persönliche Verbitterung hat nun womöglich auch dazu geführt, dass der 61-Jährige seit dem Wochenende Landtagskandidat der sächsischen Linken ist. Sein Listenplatz 18, auf den er ohne Gegenkandidatur gewählt wurde, gilt als sicher, bisher stellen die Linken 31 Abgeordnete im Landtag. „Die Linke ist offener, als ich bisher vermutet habe“, sagte Besier. Was den Genossen gefiel: Er hatte sich der Partei angenähert, ohne eines Mandats sicher sein zu können. Im Frühjahr beriet Besier die Landespartei bei Thesen zur Wende 1989, im April erklärte er seinen Parteibeitritt.

Bei der Linkspartei gab es zuletzt nur noch wenige Übertritte ins eigene Lager, schon gar nicht fragte konservative Prominenz an. 2005 kamen Oskar Lafontaine und der frühere baden-württembergische SPD-Chef Ulrich Maurer, das waren die neuen Genossen mit Bekanntheitsgrad. Dass sich Peter Sodann als Präsidentschaftskandidat einspannen ließ, gilt im Rückblick als missglückte Aktion. Die Linke gehört zu den wenigen Parteien, die zurzeit einen Mitgliederzuwachs verzeichnen – 2008 um knapp 4000 auf exakt 75 968. Aber darunter sind eben nicht nur erfahrene Kader, mit denen sich auch erfolgreich Politik machen lässt.

Ob Besier diesem Anspruch genügen wird, ist offen. Auf dem Parteitag in Burgstädt ließ er sich feiern, weil er ein „wütendes Heulen der konservativen Horden“ ausgelöst habe. 2003 war Besier bei der Eröffnung des Brüsseler Büros von Scientology dabei – hat, wie er zugab, „am falschen Ort für Religionsfreiheit gestritten“. Der sächsische Spitzenkandidat André Hahn, der ihn mit dem Fachgebiet Wissenschaft und Hochschulen betrauen will, freut sich über den Freigeist: Jahrelang habe die PDS von der CDU gefordert, Lernfähigkeit zugebilligt zu bekommen. Umgekehrt müsse das nun auch gelten, wenn sich ein einst Konservativer nach links orientiere. Matthias Meisner

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