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Porträt Hasim Kilic - Türkischer Topjurist: „Wir müssen unsere Probleme im Dialog lösen“

Mit Spannung wird das Kopftuchurteil in der Türkei erwartet. Der Präsident des türkischen Verfassungsgerichtes Hasim Kilic deutete bereits einen Kompromiss an. Porträt einer Ausnahmeerscheinung

Er steht mitten im Auge eines politischen Sturms, in dem die Machtverhältnisse in der Türkei durcheinander gewirbelt werden. Eine aufstrebende, fromm-konservative Gesellschaftsschicht stellt den Führungsanspruch der traditionellen kemalistischen Eliten infrage. Wer in diesem Streit die Oberhand behalten wird, hängt nicht zuletzt von dem 58-jährigen Präsidenten des türkischen Verfassungsgerichts ab.

Von diesem Donnerstag an berät das Gericht unter der Leitung von Hasam Kilic darüber, ob das islamische Kopftuch für Studentinnen freigegeben werden sollte, wie das Parlament dies beschlossen hatte. Das in wenigen Wochen erwartete Kopftuchurteil dürfte eine Art Vorentscheidung im Verbotsverfahren gegen die Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sein: Die Anklage betrachtet den Kopftuchbeschluss des Parlaments als wichtigsten Beweis für angebliche islamistische Tendenzen der AKP.

Kilic selbst hat angedeutet, dass er einen Kompromiss anstrebt. Demokratie, Laizismus und Rechtsstaat würden gestärkt aus den Prozessen hervorgehen, kündigte der Richter an. Kilic ist eine Ausnahmeerscheinung unter den hohen Richtern der Türkei, die zum großen Teil stramme Kemalisten sind. Der Kemalismus beruft sich auf Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk und legt großen Wert darauf, den Islam strikt zu kontrollieren. Die kemalistischen Eliten werden aber immer offener von einer islamisch-konservativen Mittelschicht herausgefordert, die sich ausgegrenzt fühlt. Angeführt werden die Konservativen von Erdogan und seiner AKP, der größten Partei des Landes – viele Beobachter in der Türkei und auch die EU sehen den Verbotsprozess gegen die AKP deshalb als politisch motivierte Vendetta der Kemalisten.

Auch Kilic, dessen Ehefrau das Kopftuch trägt, wird in der Presse ein „Konservativer“ genannt. In den vergangenen Jahren setzte er sich gerichtlich gegen Berichte zur Wehr, die ihn als Islamisten darstellten, der sogar Fernsehen als sündhaft ablehnt. Seinen Posten am Verfassungsgericht verdankt er dem früheren Präsidenten Turgut Özal, der ebenfalls zu den Konservativen zählte. Als dienstältester Richter wurde er im letzten Herbst zum Chef des Gerichts gewählt.

Bei Urteilen zählt Kilics Stimme jedoch nicht mehr als die der anderen Richter. Insgesamt gelten acht der elf Verfassungsrichter als Kemalisten – die Stimmen von sieben Richtern sind für ein Parteiverbot notwendig.

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