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PORTRÄT J.W. KINAU („GORCH FOCK“) DEUTSCHER SCHRIFTSTELLER:: „Seefahrt ist not“

Wer im 19. Jahrhundert auf Finkenwerder geboren wurde, der lebte nicht nur am, sondern auch vom Wasser – als Fischer, Matrose, Lotse.

Wer im 19. Jahrhundert auf Finkenwerder geboren wurde, der lebte nicht nur am, sondern auch vom Wasser – als Fischer, Matrose, Lotse. Deshalb muss es ein Schock für den schwächlichen Johann Wilhelm Kinau gewesen sein, als ihm sein Vater, ein echter Seebär, die selbst erhobene Diagnose mitteilte: nicht seetauglich! Der Junge begann 1895, gerade 15 Jahre alt, ein trockenes Leben als Buchhalter – und legte seine Sehnsucht nach Wind und Wellen in die Gedichte und Erzählungen, die er meist in Finkenwerder Plattdeutsch verfasste, versteckt hinter drei Pseudonymen: Jakob Holst, Giorgio Focco – und, berühmtestes von allen, Gorch Fock. Der Vorname ist eine plattdeutsche Form von Georg, der Nachname geht auf großelterliche Vorfahren zurück.

Gorch Focks Ruhm hängt bis heute vor allem an dem 1913 erschienenen Roman „Seefahrt ist not“, der das Leben der Hochseefischer beschreibt und vage an Motiven aus Storms „Schimmelreiter“ orientiert ist – realistisch, atmosphärisch dicht, heroisierend. Hauptfigur ist der junge Klaus Mewes, der alles tut, um bei seinem Vater anzuheuern, und es schließlich nach dessen Tod auf See zu einem eigenen Austernkutter bringt, zerrissen zwischen dem Vater als großem Vorbild und der Mutter, die immer um sein Leben fürchtet.

Ein großer Abenteuer- und Jugendroman – aber auch Stoff, den die Nazis mochten und zum Pflichtprogramm an ihren Schulen erhoben. Das Buch hat zweifellos deutschnationale und antibritische Anklänge, aber ist aus heutiger Sicht keineswegs der Propaganda- oder Blut-und-Boden-Literatur zuzuordnen. Fock sei zwar Nationalist, aber kein Rassist oder Antisemit gewesen, schrieb sein Biograf Günter Benja; Passagen, die nicht in die Nazi-Ideologie passten, seien erst von einer Nachlassverwalterin entfernt worden.

Denn Fock selbst starb schon 1916, und zwar auf äußerst unbuchhalterische Weise. Nachdem er 1915 als Infanterist eingezogen worden war und in Serbien, Russland und vor Verdun kämpfte, wechselte er zur Marine und saß auf seiner letzten Fahrt im Ausguck des Kreuzers SMS Wiesbaden, der in der Skagerrakschlacht 1916 versenkt wurde. Seine Leiche trieb nach Schweden und wurde dort im gleichen Jahr bestattet. Doch es dauerte noch 17 Jahre, bis die Reichsmarine 1933 ein Segelschulschiff nach ihm benannte. Die nun von Skandalen umwitterte neue „Gorch Fock“ wurde 1958 in Dienst gestellt. Bernd Matthies

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